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Der Ich-Erzähler Ary ist Chassid, und er beginnt seine Aufzeichnungen
mit einem Geständnis: Er hatte jenen alten Rabbiner erschlagen, den
viele seiner Glaubensgenossen für den Messias hielten.
Gemeinsam mit seinem Vater sollte Ary im Auftrag der israelischen Armee
eine Schriftrolle wiederfinden, die einst in Qumran entdeckt und untersucht,
wegen ihres brisanten Inhalts aber geheimgehalten und zuletzt gestohlen
wurde. Brisant vor allem für das Christentum, denn diese Rolle beinhaltete
eine Überlieferung vom Wirken Jesu, die an den Grundfesten des christlichen
Glaubens zu rütteln vermochte. Im übrigen schien jeder, der diese
Rolle einmal in Händen hielt, zu einem grausamen Tod verurteilt zu
sein...
'U'- und 'E'-Schubladensortierer werden sich an diesem Roman von Eliette
Abécassis die Zähne ausbeissen. "Die Jesus-Verschwörung"
hat alles was ein Thriller braucht, hält die Spannung bis zuletzt
und übertrumpft jedes vermeintliche Ende mit einer anderen Lösung,
um schließlich mit einem Finale zu überraschen, das einen völlig
aus der Fassung bringt. Nur soviel: Wer platterdings auf die Nachfolgeorganisation
der katholischen Inquisitionsbehörde tippt, liegt daneben.
Das sich Überraschenlassenkönnen setzt allerdings ein gewisses
Interesse an den Schriftreligionen voraus - egal, ob nun in gläubiger
Verehrung oder in atheistischer Abgrenzung. Dann hat man auch teil am eigentlichen
Vorzug dieses Romans: 1969 geboren, erstaunt die Autorin einen nicht zuletzt
mit profund ausgeloteten religionswissenschaftlichen Hintergrundkenntnissen,
die weit über die verkürzten Sensationsmeldungen zu Qumran hinausreichen.
Wenn Abécassis also einfühlsam und stimmig aus der Perspektive
eines orthodoxen(!) Juden erzählt, ist das mehr als ein Kniff, sondern
mündet in einer schockierend plausiblen Theorie zur Historie Jesu.
Und das in einer Weise, die angesichts der klangvollen Poetik dieser
gelungenen Übersetzung auch Sprachliebhaber auf ihre Kosten kommen
läßt.