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Ödeem am Thorwarth

Leergeraschelt

Eine Ontologie des Schweigens. Ungeheuer & Kitsch Verlag, Schmoelln 2002. 234 Seiten. Leinenbindung + Lesebändchen. 19.90 €. ISBN: 3-000-00000-X, >>> Amazon
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Ein Bayer würde jetzt sagen: "Stad is! Joa, hiaz is de staade Zeit!"
Sein Dialekt erfindet für jeden End-Herbst eine Dialektik des Beschweigens, die nur noch von dem dumpfen Hinbrüten vor angewärmtem Bier oder vor steifem Grog überboten wird. Der urban-verhetzte Mensch dagegen fängt nun an, Schlachtpläne für den vorweihnachtlichen Überlebenskampf zu entwerfen, die selbstverständlich auch Fluchtwege über Kaufhaushintertreppen oder durch die Kanalisation miteinschließen. Sollte er trotz unfreundlicher Blicke, An- und Wegrempeleien zuletzt doch noch heil einem umgestürzten Sonderangebotskrabbeltisch entkommen sein, mag sich vielleicht nachfolgend erörtertes Buch als preisreduzierte Remittende in seinen Taschen verheddert haben. Vor diesem Fremdkörper muss keiner zittern oder gar den langen Weg zurück in Kauf nehmen, um das Buch womöglich gegen einen ungestempelten Satz Postkarten einzutauschen - was ohne Rechnungsbeleg eh nicht möglich wäre! Außerdem kann 'Leergeraschelt - Die Ontologie des Schweigens' zum kontrapunktisch, göttlich-schicksalsgefügten Erlebnis nach all dem Marktgeschrei um die naddeligen Dieter Bohlens unserer Tage werden, vergleichbar dem eines gewissen Saulus in Damaskus ...
Ödeem am Thorwarth ist Philosoph, und zwar einer der alten, der ganz alten Schule, die dem heutigen gelahrten Kollegium auf den Boden der Tatsachen verhelfen könnte - würde ihm nicht von ebendiesem Kollegium mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit die Wahrnehmung und erst recht die Anerkennung verweigert! Von in die Mitternacht gedrängten Fernsehbildungsprogrammen samt eigenartig zusammengesetzter Quartette ganz zu schweigen - was pikanterweise jedoch nicht von ungefähr auch gleich auf das Wesentliche dieses Werkes verweist.
Anstelle von langlistigen Aufzählungen, hinterhältigen Fußnoten und walztheoretischen Abschreibungen zu Grabes- bis Wipfelruh, zeigt sich am Thorwarth als rechtschaffener Pragmatiker, der nicht nur von der Ruhe des Schweigens leben, sondern sie zuvörderst haben und genießen will.
So ist es vor allem seinem Freund, dem in die Schweiz ausgewanderten und dort unter falschem Namen lebenden Totengräber Heribert Steinlupf zu verdanken, dass es überhaupt zur Veröffentlichung dieses Werkes kommen konnte. Und es ist auch Steinlupf, der in seinem Vorwort die sehr eindrückliche Beschreibung der problematischen Genese dieses Buches besorgt, da sich der Autor konsequenterweise bis heute dazu ausschweigt:
Im eigens nach den Plänen Ödeems am Thorwarth konstruierten Keller seien sie beide im diffusen Licht einer handgezogenen Bienenwachskerze gehockt, um das Nötigste zu Inhalt und Gestaltung dieses Werkes zu besprechen - allein dies schon eine Performance, die ein Warten auf Godot triumphal in den Schatten überschätzter Bedeutungsfülle stellt. Die durch die Feuchtigkeit bedingte Heiserkeit Steinlupfs durfte das Flackern der Kerze nur um ein Geringes übertönen, worauf Ödeem am Thorwarth seine Augen nach oben und unten für ein 'JA' und zu den Seiten für ein 'NEIN' rollte. So vergingen Tage, um allein die farblich originelle Reduktion auf Schwarz-Weiß für den Umschlag zu entscheiden.
Dem demütigen Wirken Heribert Steinlupfs sei an dieser Stelle noch einmal lautloser Dank ausgesprochen, verbunden mit den besten Genesungswünschen für Leib und Seele.
Verbleiben noch 224 Seiten des eigentlichen Werkes zu würdigen.
Dazu mögen drei kleine Zitate ausreichen, die ich ohne jede Anstrengung und ohne Lesezeichen aufschlagen kann, da wahrlich jede Seite dieser Ontologie inspirierend ist.
Zum Beispiel Seite 12 oben: '.....................................'
oder etwas ausführlicher Seite 141 unten: '

.........................'
oder wiederum knapp und sehr präzise Seite 196 Mitte: '.................................................'
Hier sind wir alle unaufdringlich gefordert, das Geniale dieser Schöpfung zu erkennen. Nach jedem Blättern trifft sie auf zweiseitiges Schweigen, einem Schweigen, das Gedanken freisetzt von klarsichtiger Tiefe oder manch einen auch in wabernde Trancezustände gleiten lässt - je nach eigenem Vermögen, je nach Temperament. An diesem Lehrstück scheiden sich die Geister. Manche werden u.U. sogar von ruckartigen Schockwellen ereilt, die aber spätestens mit dem Finden der Lesebrille abebben dürften, denn da ist wirklich nichts, was dergleichen nötig machen würde.
Weniger gibt es über das Schweigen nicht zu schreiben, und bevor das Buch mit lautem Klatsch an die Wand geworfen wird - z.B weil beim Durchblättern nicht der Rhythmus eines ureigenen Schweigemarsches gefunden wurde - sollte man sich auch der letzten Seite angenommen haben. Da nämlich offenbart Ödem am Thorwarth in einem geradezu barocken Fanal die letzte Konsequenz des Schweigens. Wer, zählte er sich auch zu den größten Kritikastern, könnte sich dem so mir-nichts-dir-nichts entziehen? Ein Zitat aus diesem endgültigen Aufruf zum Schweigen soll uns allen Vorbild und Mahnung sein, jedoch nicht, ohne zuvor noch dieses Werk sehr eindringlich, welchem Gabentisch auch immer anzuempfehlen:
'.........................................................................!'

Buechernachlese © Ulrich Karger


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