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Martyn Bedford

Der Zeichner

Roman. Heyne Verlag, München 1996. 320 Seiten. ISBN: 3-453-09740-8, >>> Amazon
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"Mein Name ist Gregory Lynn. Ich bin fünfunddreißig Jahre alt. Ich bin Waise, Junggeselle, wurde mit viereinhalb Jahren Einzelkind. (..) Ich bin nicht unbeholfen; es ist nur so, daß mein Körper die von meinem Gehirn ausgesandten Signale manchmal falsch interpretiert."
Gregory Lynn ist DER ZEICHNER. Er erlitt in seiner Kindheit und Jugend mehrere Traumen, die ihn gleich einem Autisten an den allgemein üblichen sozialen Bezügen einer Gesellschaft zweifeln ließen. Als er nach dem Tod seiner Mutter auf dem Dachboden seine alten Zeugnisse entdeckt, hat er den Drang, "Korrekturmaßnahmen" zu ergreifen. Er will all seinen Lehrern einen Denkzettel zu verpassen, die ihm seinerzeit ihre Norm aufgezwungen und ihn vor Erreichen der Mittleren Reife von der Schule verwiesen hatten. Diese Korrekturmaßnahmen werden akribisch geplant, nicht schriftlich, sondern in Form von Cartoons - denn Zeichnungen sind zwar nicht wissenschaftlich, aber sie können wahr werden.
Das Romandebut des englischen Journalisten Martyn Bedford besticht insbesondere durch seine formvollendete Komposition und seinen Mangel an Sentimentalität. Sein Protagonist will kein Mitleid und aus der Sicht seiner Opfer verdient er es auch nicht. Vieles was er durchleiden mußte, haben auch andere durchlitten, ohne ihre Phantasien gleich in grausame "Korrekturmaßnahmen" umzusetzen. Bedfords Botschaft ist weit elementarer: Der Ruf nach ausgleichender Gerechtigkeit ist eine Wahnvorstellung, auch auf seiten der "normalen" Gesellschaft. Weder Opfer noch Täter vermögen sich je wirklich anzunähern. Nicht aus Bosheit oder weil beide Seiten es nicht ernsthaft genug versucht hätten. Das Bedürfnis der einen nach klar definierten Maßstäben scheint geradezu zwangsläufig mit der genauso zu rechtfertigenden Sicht auf die undefinierbaren Zwischentöne kollidieren zu müssen. Hier kann es keine Versöhnung geben, ein Drama von hoher Sogkraft nimmt seinen Lauf und entläßt einen auch nach der letzten Seite nicht.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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