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Gerhard J. Bellinger

Im Himmel auf Erden

Sexualität in den Religionen der Welt. Droemer Knaur, München 1993. 575 Seiten. ISBN: 3-426-26502-8, >>> Amazon

Sexualität und Religion sind eng miteineinander verknüpft. Man könnte sogar sagen, im Zentrum aller Religionen dieser Welt steht die Auseinandersetzung und Bewertung menschlicher Sexualität, indem sie Aussagen über die Arterhaltung bzw. Vermehrung machen und Anleitungen geben, die damit verbundene Sinnlichkeit zu fördern, zu beschränken oder gar zu "verteufeln".
Wer nun Gerhard J.Bellingers fundierte Zusammenschau von der "Sexualität in den Religionen der Welt" unter dem Titel IM HIMMEL AUF ERDEN in Händen hält, weiß, daß es dazu nicht nur die "eine Wahrheit" geben kann. Frappierend sind vielmehr die offensichtlich vielen gemeinsamen Symbole, die wiederum auf ineinander verwobene Ursprünge verweisen. So ist z.B. die Metapher der "Jungfrauengeburt" keineswegs eine originäre "Erfindung" der Christen, sondern hat seine Vor-und Nebenformen auch in anderen Religionen.
In sechs Schritten stellt der Autor nun die Religionen unter dem Aspekt ihrer sexuellen Aussagen vor. Es beginnt mit den Sippen-und Stammesreligionen der Steinzeit, die im Lauf der Jahrtausende die weibliche Dominanz zugunsten des noch immer vorherrschenden Patriarchats "überwinden". Als nächstes werden die Volks-und Reichsreligionen Afrikas, Vorderasiens, Europas und Amerikas belegt, es folgen die Weltreligionen Hinterasiens (Hinduismus, Buddhismus) sowie die monotheistischen Religionen Judentum, Islam und Christentum. Zuletzt wird in diesem Zusammenhang auch auf neue Religionsgemeinschaften und Bewegungen hingewiesen, wie z.B. die New-Age-Bewegung.
Nicht nur interessierte Laien werden sich von dem umfangreichen Bildmaterial inspirieren lassen, um schließlich den instruktiven Texten zu folgen. Wer sich mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten religiös definierter Sexualität wissenschaftlich auseinandersetzen will, dem wird das reichhaltige Stichwortverzeichnis des Anhangs eine große Hilfe sein. FeministInnen dürfte zudem die saubere Sprachregelung dieses Werkes sehr zufrieden stellen, legt sie doch eindeutig bloß, was sich so über die Jahre in manch religiösem Denken auch nach ihrer inneren Logik oft völlig zu unrecht "eingeschliffen" hat. Ein stets widerkehrendes Unterkapitel hinterfragt z.B. den Einfluß der jeweiligen Religionen auf Wertigkeit und Geschlecht verschiedener Wörter. Etwas zu bemängeln sind jedoch die fehlenden Querverweise, die nochmal deutlich hervorheben könnten, wie sehr manche Religion auf die andere aufbaut. So nennt der Autor in seinem Vorwort Jesus unkritisch als das Beispiel für einen unverheirateten Religionsstifter, obwohl er im Kapitel über das Judentum nachweist, daß ein Rabbi, wie Jesus ja mehrfach im NT genannt wird, verheiratet zu sein hatte. Allerdings - gerade weil die Querverweise fehlen, könnte so manche/r bei den Grundaussagen Jesu und den z.T. unkommentierten Aus-bzw. Verformungen dieser Aussagen im Lauf der Kirchengeschichte Mut zum eigenen konstruktiven Widerspruch finden.
Insgesamt ist das Buch wegen seines klaren Aufbaus, seiner guten Lesbarkeit und nicht zuletzt wegen seiner mehr als preiswerten Ausstattung sehr zu empfehlen.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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