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Ray Bradbury, Jahrgang 1920, hat mit dem SF-Roman "Fahrenheit 451" Weltruhm erlangt, versteht sich selbst aber vor allem als "Fantasy-Autor" - wobei er Fantasy hier eben nicht als Subkategorie der SF sondern vielmehr als älteste Literaturtradition der Welt begreift, zu deren Vorreitern Bradbury den antiken Homer ebenso wie Edgar Allan Poe zählt.
So ist Bradbury neben seinen zahlreichen Romanen auch ein Autor von kürzeren Erzählungen, die das phantastische Moment sehr facettenreich ausloten.
Der Diogenes Verlag hat nun "Ausgewählte Erzählungen" von ihm vorgelegt, sich für die Auswahl allerdings auf die früheren verlagseigenen Publikationen beschränkt. Dennoch weisen die 25 im Original zwischen 1946 und 1997 erstmals veröffentlichten Texte eine großartige Themen- und Stimmungsvielfalt aus. Das reicht von satirischen Endzeitskizzen bis hin zu zauberhaft magischen Liebeserklärungen, denen allen das "Dennoch" einer an Heinrich Böll gemahnenden Menschenfreundlichkeit und darüber hinaus eben auch jener Schuss Phantastik innewohnt, die jedoch nur sehr selten die Düsternis eines Poe sucht. Neben der durchgängig bewundernswerten Sprachfertigkeit und Formulierungskunst besticht nicht zuletzt auch die zumeist ungebrochene Aktualität selbst jahrzehntealter Erzählungen. Denn abgesehen von einigen wenigen überholten Vorstellungen, die das Leben auf dem Mars betreffen, geht es in ihnen um nach wie vor sehr gegenwärtige, ja zukunftsweisende Themen.
Ausgestattet als kleines, aber dickleibiges in Leinen gebundenes Buch im Schuber sei hier auch noch auf das "Schmankerl" einer deutschen Erstveröffentlichung der Erzählung "Der illustrierte Mann" von 1950 hingewiesen, die als Prolog zu dem ein Jahr später publizierten gleichnamigen Erzählband gelten kann. Den Anhang mit tabellarischem Lebenslauf und Quellennachweis hätte man sich etwas umfangreicher und detaillierter gewünscht, aber als Appetithappen und Einstieg in das großartige Erzählwerk Bradburys erreicht dieses Kleinod seinen Zweck allemal.