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Fritz Bremer

In allen Lüften hallt es wie Geschrei

Fragmente einer Biographie. Edition Balance, Bonn 1996. 146 Seiten. ISBN: 3-88414-188-0, >>> Amazon
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Lyrikliebhabern ist Jakob van Hoddis sicher ein Begriff. Sein "Weltende" gilt vielen als das expressionistische Gedicht schlechthin. Weniger bekannt ist aber vermutlich, daß van Hoddis mit bürgerlichem Namen Hans Davidson hieß und kurz vor dem ersten Weltkrieg in die Mühlen der Psychiatrie geriet, um schließlich 1942 aus einer jüdischen Heil- und Pflegeanstalt in den Tod "deportiert" zu werden.
Anhand der veröffentlichten Werke und Briefe, der Aussagen seiner Freunde sowie der Krankenberichte über Jakob van Hoddis entwickelte Fritz Bremer die Fragmente einer Biographie mit dem Titel IN ALLEN LÜFTEN HALLT ES WIE GESCHREI. Auch wenn der Vergleich oft genug strapaziert wird:
Diese Erzählung über einen der Norm entrückten, zuweilen genialen, zuweilen beängstigend schwachen Menschen erinnert auch in der Qualität ihrer Sprachregelung an ein Werk Kafkas.
Bremer hat sich von der reinen, spärlich überlieferten Faktenlage gelöst und sie mit fiktiven Innensichten des Dichters und Patienten ausgebaut, die er nicht zuletzt in seinem Brotberuf als langjähriger Mitarbeiter in sozialpsychiatrischen Einrichtungen gewonnen hat. Dazwischen Krankenberichte, die in ihrer bürokratisch anmutenden Musterhaftigkeit groteske Kontrapunkte setzen.
Bremer ging es aber keineswegs darum, seinen Protagonisten zu verklären. Jakob van Hoddis war sicher alles andere als ein angenehmer Zeitgenosse.
Aber eine Vision des u.a. als autistisch beschriebenen Patienten führt ihn ins Triest der 70er Jahre, wo es bereits Ansätze für ein selbstbestimmtes Leben solcher Menschen gibt. Dank seiner Kompetenz und dem außergewöhnlichen Sprachvermögen Bremers ist hier ein eindrucksvolles Stück Literatur über das Aushalten des Andersseins gelungen.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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