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Das Pathos des 19. Jahrhunderts sowie der auf diese Diktion aufspringende Nationalsozialismus hatten insbesondere die nordischen Mythen vereinnahmt. Doch nach jahrzehntelanger Ächtung wollen sich viele Norweger die eigene Geschichte und die eigene Mythologie zurückerobern. Der Autor Tor Åge Bringsværd sagt: 'Wir haben die Diebe bestraft. Aber das Diebesgut haben wir ihnen überlassen.'
Dagegen setzt er nun eine Prosa-Nacherzählung, die ähnlich der Sammlung griechischer Sagen durch Gustav Schwab, nordische Lieder und Skaldendichtung in eine systematische Reihenfolge bringt - wohlwissend, daß sie nie die Tiefe der poetischen Ausdrucksweise im Original ersetzen kann und sich die an verschiedenen Orten gewachsenen Mythen eigentlich einer Systematik entziehen. Aber im Gegensatz zum biedermeierlichen Gustav Schwab gelingt es Tor Åge Bringsværd seiner Nacherzählung Leben einzuhauchen, indem er Odin, Thor, Loki, und wie sie alle heißen, vom Sockel des hehren Pathos herunterholt und sie der ursprünglichen, lakonischen Betrachtung preisgibt. Denn diese Götter und Göttinnen, die sich als Asen und Wanen bekämpfen, sind trotz all ihrer Kräfte nicht unsterblich und in ihrem Verhalten oft genug ein Archetyp des Allzumenschlichen.
Was den Norwegern recht ist, kann dem deutschen Sprachraum nur billig sein. Ein besonderes Glück, daß sich Tanaquil und Hans Magnus Enzensberger hierbei auf eine erfrischend kongeniale Bearbeitung dieses Werkes verstanden haben, letzterer zudem als Herausgeber der Anderen Bibliothek, in der alle bislang erschienenen Bücher durch ihre erlesene wie unverwechselbare Ausstattung bestechen. So setzen in 'Die wilden Götter' neben ausführlichem Anhang, Lesebändchen und goldgeprägten Umschlag gerade auch die zahlreichen Bleistiftzeichnungen von Johannes Grützke ein Feuerwerk an I-Punkten, die einen das Buch immer wieder gern durchschmökern lassen.