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In der Bibliothek Suhrkamp ist nun eine kleine Erzählung von Antonia
S. Byatt nachzulesen.
ZUCKER ist die Geschichte einer Erinnerungsarbeit. Während der
Vater stirbt, versucht die ich-erzählende Tochter Ordnung in ihre
Erinnerungen an die Kindheit zu bringen. Das Problem ist, daß die
Mutter eine notorische Lügnerin war, die ihre Sicht der Dinge zur
alles bestimmenden Wahrheit erhoben hat. So weiß die Tochter ganz
im sokratischen Sinne, daß sie eigentlich nichts weiß. Selbst
ihrer scheinbar sichersten Erinnerungen kann sie nicht sicher sein, sie
muß unterscheiden lernen zwischen den wirklich bewußt erlebten
und den nacherzählt verfälschten Erinnerungen.
Im Nachwort räumt die Autorin ein, daß für sie zuerst
die Form da war, d.h. zuerst die Frage nach dem Wesen der Wahrheit und
dem des Schreibens. Der Tod ihrer Eltern ist somit nur der nachträglich
benutzte Stoff, um dieser Frage Struktur zu geben. Wir haben es hier offenkundig
mit einer Vollblutliteratin zu tun. Nichtsdestotrotz muß der Inhalt
sich auch auf die Form ausgewirkt haben, denn ZUCKER ist eine glänzende
Etüde über Schein und Sein, die auch über das literarische
Moment hinauszuweisen vermag.