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"Manches davon ist ziemlich ekelhaft, und manches wird mir vermutlich
niemand glauben. Ich erzähle die Geschichte aber trotzdem, weil ich
nämlich die Hoffnung hege, daß es mir mit jedem, der sie liest,
ein bißchen besser geht. Ungefähr so, als würde jemand
bei dem schweren Balken, den du mit dir herumschleppst, mit anfassen."
Der 18-jährige Ich-Erzähler Harris war ein "Problemkind",
von den Lehrern und seinen Eltern als schwach begabt und zurückgeblieben
eingestuft. Erst mit 13 Jahren beginnen sich für ihn positive Zukunftsperspektiven
anzubahnen, da er zu Mrs. Mac, einer jungen Frau mit zwei Kindern, eine
enge Beziehung entwickeln kann. Diese bricht jäh auseinander, als
sich ein schreckliches Unglück ereignet, das Harris wieder auf seine
schon überwunden geglaubten Kindheitsrituale des Selbstschutzes
zurückwirft: Unter dem elterlichen Haus zerbröselt er Sandstein
zu "Zucker" und stapelt den in Tüten als "gute Tat"
an der Hauswand.
Der Australier Robert Carter ist ein Autor jener angelsächsischen
Erzählweise, die dem sichtbaren "Was" stets den Vorrang gibt
und so automatisch ohne weinerliche "Innerlichkeit" auskommt. Natürlich
"denkt" sich Harris auch das eine oder andere, aber das knapp und
präzis, so wie es Jugendlichen oft gelingt, komplexe Vorgänge
ohne "Gelabere" für sich auf den Punkt zu bringen. (Nicht zuletzt
auch dank der vorzüglichen Übersetzung von Cornelia Krutz-Arnold,
die schon bei Margaret Mahy ihre Kunst bewiesen hat.)
Die Lakonie mit der Harris z.B. die Situation beschreibt, als er die
kleine Clementine tot im Kühlschrank von Mrs. Mac findet, bewegt gerade
deshalb in jedem Fall das Innere der Lesenden. Das Grauen, mit dem viele,
wenn nicht sogar die meisten Kinder zu tun haben, wird hier kaleidoskopisch
in allen Farben vorgeführt: komisch, tragisch, ekelhaft, romantisch
und mit einem offenen Ende. Im Zusammenleben u.a. mit der magersüchtigen
Stephanie und der vom Stiefvater vergewaltigten Angela lernt er Fragen
an das Warum von Krankheitssymptomen zu stellen, und er kommt sich und
seinen Eltern in dieser "Irren-Wohngemeinschaft" auf die Spur.
Ein richtige Familienerzählung also, nicht gerade gemütlich,
aber spannend wie das Leben und mit einem weiten Blick über den Zaun
für alle, die bisher nichts mit "Problemkindern" zu tun haben ... wollen.