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Diesmal kein Roman, sondern 'nur' drei Geschichten von Hugo Claus. Doch auch diese kürzeren, heutzutage oft nur noch als Nebenwerke geachteten Erzählungen sind von zeitlos unter die Haut gehender Aktualität.
In 'Das letzte Bett' (Ersterscheinung 1998) wendet sich Emily an ihre sie und ihre Lebensart verdrängende Mutter. Das Sinnlose dieses Unterfangens wird schon allein dadurch ad absurdum geführt, weil Emily wie auch ihre Geliebte Anna so gut wie tot sind. Sich selbst richtend, nachdem die öffentliche Meinung sie zuvor bereits gerichtet hat - ohne damit großartig die Abläufe eines Luxus-Hotels in einem belgischen Seebad zu stören.
In der Titel gebenden Geschichte 'Der Schlafwandler' (Ersterscheinung 2000) wird Luc erst von einem Fahrradfahrer verletzt und trifft dann auf eine ehemals geliebte Frau - danach leidet er an einer eigenartigen Aphasie, die ihn sinnentstellend einzelne Buchstaben innerhalb eines Wortes vertauschen lässt. Kleine Ursache, große Wirkung gerät Luc in den nächsten Stunden von einer grotesken Situation in die andere.
'Die Versuchung' (Ersterscheinung 1990) reibt sich an der Innenwelt einer uralten Nonne, die so gar nicht kompatibel mit den Erwartungen ihrer Umwelt ist. Während Schwester Mechthild ihren körperlichen Verfall als einzig wirksames Bußmittel zur Annäherung an ihren geliebten Bräutigam Jesus sieht, ja geradezu feiert, wird sie von klerikalen Würdenträgern in die Rolle einer lenkbaren Vorzeigefrommen gedrängt - doch eingesperrt auf der Toilette kommen sie nicht mehr an sie heran.
Keine Komik ohne die zu belachende Tragik der Protagonisten. Alle drei Geschichten sind von einer beklemmenden Intensität, deren Schrecklichkeit durch das oft genug bizarre, groteske Mit- und Gegeneinander in der 'normalen' Alltagswelt gesteigert wird. Ein schwarzzüngiger Humor, bei dem einem das Lachen im Hals stecken bleibt, nach dem Motto: Die Welt schenkt einem nichts. Wer trotzdem lachen will, muss genau hinschauen und sich auch seiner selbst stellen wollen.
Hugo Claus hält in dieser komprimierten Prosa bewußt Leerstellen frei, die einerseits konzentriertes Lesen erfordern, andererseits auch Freiräume für eigene Abschweifungen lassen. Hat man sich einmal darauf eingelassen, gehen seine Geschichten wie Suppenwürfel in einem auf und lassen den Leser noch für Tage ihnen nachschmecken. Nicht zuletzt auch ein Verdienst der Übersetzerin Waltraud Hüsmert, die sich einmal mehr kongenial in der spröden Wortwelt dieses Flamen einzurichten wußte.
Weitere Besprechungen zu Werken von Hugo Claus siehe:
Büchernachlese-Extra: Hugo Claus (1929 - 2008)