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Zum Abschluß seiner mehrjährigen Forschung über ein Bild von Giorgione reist Alejandro Ballesteros nach Venedig, um es sich endlich im Original anzusehen. Analog zum Titel dieses Bildes ('La tempesta' bzw. 'Das Gewitter') empfängt den introvertierten Stubenhocker unverhofft eine Entladung nach der anderen. Kaum angekommen, wird der Spanier Zeuge eines Mordes, muß sich von der Polizei wie ein höchst Verdächtiger befragen lassen und dann bald erkennen, daß das Mordopfer in recht eigenartiger Beziehung zu seinen Gastgebern stand. Seine Gastgeber, Gilberto Gabetti und dessen Adoptivtochter Chiara haben zudem ein höchst privates Verhältnis zu dem von ihnen verwalteten Gemälde Giorgiones, so daß es vieler Umwege bedarf, bis Alejandro es denn auch im Original sehen kann. Davor jedoch gilt es ein nervenaufreibendes Katz- und Mausspiel zu überstehen, daß ihn nicht zuletzt ein Opfer seiner Liebe zu Chiara werden läßt.
Mit Juan Manuel de Prada hat sich Klett-Cotta einen weiteren spanischen Autor gesichert, der auch im deutschen Sprachraum gewiß Furore machen wird. Virtuos beherrscht der 27-jährige eine jede Schublade sprengende Klaviatur an Ausdrucksmöglichkeiten. In einer den Romantikern entlehnten Tonlage wird Venedig zum in letzter Agonie sich aufbäumenden Lebewesen, in dessen Umfeld der Autor einen hyperrealistischen Krimi zu spinnen vermag. Ein Verwirrspiel von Intrigen, Fälschungen und Originalen. So erklingt das hohe Lied der Kunst, die hier zur Religion der Gefühle stilisiert wird, in den Niederungen einer Trash-Handlung - und beides zusammen verzaubert und amüsiert einen bis zur letzten Seite.