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Franz Josef Degenhart, der seit über 30 Jahren mit seinen Konzerten
die Säle füllt, hat einen Roman geschrieben. Es ist sein fünfter
und stellt eine Meisterleistung dar.
Von den öffentlich-rechtlichen Medien lange Zeit wegen seiner
eingestandenen Nähe zum kommunistischen Gedankengut geschnitten, bewies
er einmal mehr, daß zur demokratischen Folgerichtigkeit mehr gehört,
als jemanden in eine mit Parteienkürzeln versehene Schublade zu stecken.
Seine Lieder waren niemals Agitation, sondern zeichneten sich durch
brillante Beobachtungsgabe und eine unwiderstehliche Sprachgenauigkeit
aus, die zusammen mit der Modulationsfähigkeit seiner Reibeisenstimme
live wie auf Platte jedesmal ein weiterführendes Erlebnis sein konnten.
So ist es überhaupt kein Wunder, daß gerade Degenhart sich
den Vater der Liedermacherei aus dem 19.Jahrhundert zum Thema seines Romanes
gemacht hat, auch und gerade weil es sich dabei um AUGUST HEINRICH HOFFMANN,
GENANNT VON FALLERSLEBEN handelt.
Dieser Verfasser des vielgedeuteten "Lied der Deutschen", dessen
dritte Strophe nun endgültig zur Nationalhymne erklärt worden
ist, wird in den letzten Jahren seines Lebens wie eine Touristenattraktion
von vielen Ausflüglern in Corvey besucht. Dort hatte er für das
letzte Jahrzehnt seines Lebens endlich eine ihn ausreichend versorgende
Bleibe bewilligt bekommen. Eines Tages besuchen ihn u.a. der Urgroßvater
des sich dezent zurückhaltenden Ich-Erzählers sowie Henriette
Landau, eine unter Pseudonym veröffentlichende Journalistin, in die
sich Friedrich Wilhelm Hasenclever im Laufe des Romanes noch heftig verlieben
sollte. Die beiden hinterließen jeweils Tagebücher, aus denen
der Erzähler schöpft, sie kommentiert und zitiert. Hoffmann wiederum
wird von diesen "Vorfahren" kommentiert, was einen wirklichen Kunstgriff
darstellt, da sie Hoffmann zwar als "oratorisches Genie - wenn auch
von dunnemals -, doch todlangweiligen Prosaisten, jedenfalls was seine
Memoiren angeht", apostrophieren. Für sie lebt Hoffmann, "der
alte Märchenriese", als Zeuge der "jüngsten Vergangenheit",
und aus diesem Augenwinkel betrachtet, wird er auch für uns Heutige
lebendig mit seinem Charme, seiner Sturheit, seiner Ängstlichkeit(die
gut begründet wird) und seiner Integrität.
Degenhart nutzte die Möglichkeiten des Genres zu in Spannung haltenden
Vor-und Rückblenden und seinen aus den Liedern bekannten Zwischentönen,
die er mit in 5 Jahren gesammelten Recherchen unterfütterte, ohne
je aufdringlich zu werden. Vielmehr hat der Leser teil an einem Panoramaausblick
auf eine Zeit und von ihr nicht nur zwischen Tragik und Komik bewegter
Menschen, unter denen Hoffmann seinen wahrhaftig nicht immer leichten Stand
hatte.
Zudem redet Degenhart nicht über das Muße-Verständnis
jener Zeit, sondern er entlädt es in sich mäandernden, keineswegs
jedoch ausufernden Sätzen, und findet Worte, die in ihrer Alt-Vertrautheit
und Deutlichkeit nicht nur dem Philologen manches Aha-Erlebnis verschaffen
werden.
Degenhart erzählt in seinem Roman ein Stück Herkunft von
uns Deutschen, zu dem man sich in seiner Gesamtheit bekennen muß,
um zu verstehen, warum "mir jedesmal ein Schauer über den Rücken
läuft, wenn ich das Lied der Deutschen höre", und warum er
trotzdem dieses Deutschland noch nicht verlassen hat.
Ein preis- vor allem ein lesewürdiges Buch.