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Sven Delblanc

Jerusalems Nacht

Roman. Klett-Cotta, Stuttgart 1989. 112 Seiten. ISBN: 3-608-95353-1, >>> Amazon
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Die in sich abgeschlossene Erzählung JERUSALEMS NACHT bildet das letzte Glied einer Trilogie von Sven Delblanc. Auch dieses Notturno soll als Lehrstück über das Scheitern der Vernunft, über den ungleichen, vorab entschiedenen Kampf des Geistes mit der Geschichte verstanden werden.
Und so hebt ein tief verstimmtes Lied zynischer Resignation an, welches ein gewisser Philemon, seines Zeichen ehemaliger Astronom unter dem Feldherrn und späteren Kaiser Titus, nach griechischer Weis` in Briefform einem gewissen Apollonios vorträgt.
70 n.Chr. belagern die Truppen Roms Jerusalem. Eine Sonnenfinsternis vor dem entscheidenden Angriff hält die bedrohliche Situation für einen geschichtlichen Moment in der Schwebe: Die Truppen sind in ihrem Aberglauben derart gelähmt, daß Titus gezwungen ist, über eine "Ermunterung" nachzudenken, die über die rasch entzündeten Lagerfeuer hinausgeht. Dabei helfen ihm gewollt und ungewollt, zwei weitere personifizierte Klischees, die die trauliche Unterredung mit seinem eifersüchtigen Astronomen stören. Neben dem Herrscher und seinem Sternengucker bevölkern nun auch der verachtete Überläufer und Geschichtsschreiber Josephus Flavius sowie der gefangengenommene und schriftgelehrte Jude Eleasar das Zelt.
Mit viel geschwätziger Weisheit wird dann wegen zweier, dreier Geistesperlen aneinander vorbeigeredet, um zuletzt den Juden und letzten Zeugen Jesu wirkungsvoll ans Kreuz zu nageln:
"Die Decke der Finsternis wurde von der Stadt gehoben, und das Licht strahlte hell über Jerusalem", das nun, wie im Lexikon nachzulesen, fällig für seine Eroberung war.
Jedoch ist der spazierengeführte Kenntnisreichtum des Autoren nicht immer verläßlich: Gerade dem Juden Eleasar unterstellt Delblanc die pauschalisiernde Dummheit, daß die Pharisäer, alle "eines Schlages" gewesen wären, was deren "schmeichlerisches Lächeln und heuchlerische Ehrerbietung" anginge.
Das eigentliche Thema, die sattsam bekannte Erfahrung, daß der Macht (scheinbar) alles erlaubt ist, wird mit keinem neuen orginellen Gesichtspunkt vorgeführt, geschweige denn, daß die Erzählung einen neuen orginellen Ausweg aufdecken würde.
So wird der von Eleasar erinnerte jesuanische Geschlechterkampf nur unter dem Motto ein "bißchem Feminismus" und in gelehrten Allgemeinplätzen gestreift.
"Was bleibt unserem armen Geschlecht? Eine neue Menschheit zu schaffen, die in sich die Disziplin und Kraft des Mannes mit der Geduld und Liebe der Frau vereinigt, genau das, was der große Gedanke meines Meisters war?
Oh, dieser ewige Traum, der Mann und Frau dazu treibt, einander zu umarmen und in den höchsten Stunden der Liebe die Ahnung von einer höheren Menschheit zu empfinden!"
Delblanc mag das ja als den Geniestreich einer konsequent eingehaltenen Konstruktion ansehen, wenn er in der "Frauenfrage" keine Frau zu Wort kommen und erst recht nicht in Aktion treten läßt.
Dabei wäre die keinen und keine ausschließende Liebeslehre Jesu ein Stoff, der unter die Haut gehen könnte - soll er wohl aber nicht, sonst würde der reine Geist von einer Gefühlswallung bedroht und müßte seinen Kopf einziehen.
Der Autor hat sich offensichtlich mehr von der altgriechischen Form als von der inhaltlichen Auseinandersetzung leiten lassen. Aber selbst der intellektuelle, die Ästhetik eines Elfenbeinturm umkreisende Leser wird das Buch am Ende ziemlich enttäuscht zuklappen, denn wie der Inhalt wirkt auch die Form wie nacherzählt, kunsthandwerklich ganz nett, aber ohne weiterführende eigenständige Kontur, farblos wie die Auftragsarbeit eines schon seit langem anerkannten Literaturpreisträgers.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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