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Sibylla und ihr Sohn Ludo entstammen einer Dynastie von höchst intelligenten Vorfahren, die ihre Begabungen jedoch nie wirklich auszuleben vermochten. Auch Sybilla beherrscht mehrere Sprachen und kann sich daneben auf höchstem akademischen Niveau für Bildende Kunst, Musik und Mathematik begeistern. Weil sie sich aber nicht einengen lassen will, überlebt sie nur dank gering honorierter Tipparbeiten. Zurückgezogen von den aus ihrer Sicht beschränkten Mitmenschen, ist an Sibyllas Seite nun ein Kind, das sie an Intelligenz noch einmal um Längen übertrifft und sie mit den Anforderungen seiner Wißbegier oft zur Verzweiflung treibt. Mit vier liest Ludo die Odyssee im Original, mit fünf bringt er sich Japanisch bei, doch am meisten beschäftigt ihn die Frage, wer und wo sein Vater ist. Jahrelang sieht Ludo sich nahezu jeden Tag den Film 'Die sieben Samurai' an - im Original natürlich. Und genau dieser Filmklassiker von Akira Kurisawa wird ihm dann zum hilfreichen Schlüssel, um mit zwölf nicht nur seinen Erzeuger, sondern dazu noch sechs weitere Väter ausfindig zu machen.
Lassen Sie sich beim ersten Durchblättern nicht von griechischen und japanischen Buchstaben oder von seitenlangen Zahlenkolonnen und Texteinschüben verunsichern! 'Der letzte Samurai' ist Unterhaltung pur und der aufregendste, komischste, mitleideregendste, spannendste, sprunghafteste und zugleich konzentrierteste Roman, den ich seit langem zu lesen das Vergnügen hatte. Die auf allen Seiten blitzende Intelligenz schüchtert einen in ihrer Subversivität und Selbstironie nicht ein, sondern läßt einen wie bei einem Pageturner von Grisham mit dem Lesen gar nicht mehr aufhören. Wie auf einer Surfwelle wird man in Geisteswelten getragen, die einem doch eigentlich lebenslang verschlossen schienen. Wo sich heutzutage hochgejubelte X- und Golf-Generation-Autorinnen mit hohlen Satzblasen allenfalls selbst bespiegeln, gelingt Helen DeWitt unverkrampft lakonisch ein bemerkenswert vielschichtiger Tiefgang. In ihrem Buch werden nicht nur eine, sondern mehrere Weltsichten mehrfach durch die jeweiligen Egos ihrer Protagonisten und ihrer Wechselbeziehungen gebrochen - nicht zuletzt die zwischen der sich einigelnden Mutter und dem äußerst abenteuerlustigen Kind. Und bei aller ihn umgebenden Tragikomik vermag Ludo im Gestus eines 'Roggenfängers' das lebensbejahende und auf Würde bedachte Credo eines nie aufgebenden Kämpfers zu entwickeln. Einfach wunderbar!