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Der Kontinent Afrika ist für viele ein weißer Fleck in der
Kartographie ihrer Wahrnehmung. Die meisten begnügen sich mit vereinfachenden
Vorurteilen, und damit hat's sich dann. Dabei ist die "Wiege der Menschheit"
reich. Nicht ökonomisch, aber an Kultur. Allein in dem Land Zaire
werden 326 Sprachen gesprochen, in Nigeria, Kamerun und im Sudan jeweils
ungefähr 200. Und in jeder dieser Sprachen wurden eigene Sagen, Lieder,
Sprichwörter und Rätsel entwickelt. Und Schöpfungsmythen.
Diese Mythen sind zum Teil von hoher Komplexität. Einige erfassen
Zusammenhänge, die laut Fridjof Capra in Übereinstimmung mit
den Erkenntnissen der modernen Physik sind, andere weisen erstaunliche
Parallelen zu den Schriftreligionen auf. Und letzteres ist nicht nur mit
dem Eifer missionarischer Christen oder Moslems abzutun.
Das preiswerte "Lexikon der afrikanischen Mythologie" regt dazu
an, in diese Sagenwelt einzutauchen. Obwohl gewiß kein schmales Bändchen,
weiß der Autor jedoch, daß er mit seinen alphabetisch geordneten
Artikeln und Nacherzählungen bestenfalls an der Oberfläche zu
gründeln vermag. Es ist einfach zuviel. Jede der vielen hundert Sprachkulturen
könnte ein Lexikon dieser Größenordnung füllen. Für
Studenten entsprechender Fakultäten mag es dennoch ein nützliches
Nachschlagewerk sein, das einen ersten Überblick verschaffen hilft.
Ansonsten sei empfohlen, es wie ein normales Buch von "Acholi" bis
"Zwillinge" durchzublättern und sich insbesondere von den Geschichten
z.B. vom Löwenmenschen oder vom Geschenk des Tabaks einfangen zu lassen.
Die Einführung und am Schluß die umfangreiche Bibliographie
geben zudem wertvolle Hinweise. Sehr anschaulich auch die zahlreichen schwarz-weißen
Illustrationen. Alles in allem sehr passabel übersetzt, fällt
nur das von Christa Zettl in erbärmlich akademischem "Pidgin"
verfaßte Vorwort ab. Von diesem kleinen Makel abgesehen bietet dieses
Buch eine gute Gelegenheit, wenigstens einige weiße Flecken zu füllen
und Vorurteile über sogenannte "primitive" Kulturen zu revidieren.