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"Ein Schriftsteller, also jemand ohne Mandat, maßt sich an,
über etwas zu sprechen ..."
Fünf Jahre nach seiner "Rede vom Verlust" hielt Günter
Grass am 23. Februar 1997 in Dresden seine REDE ÜBER DEN STANDORT.
Die "Standortfrage" steht für den kurz-, mittel- und langfristigen
Profit von nur sehr wenigen und läßt bereits unsere Gesellschaft
sich mit offiziell verlautbarten fünf Millionen Arbeitslosen abfinden.
Kann, darf eine Kritik über dieses andauernd strapazierte Mantra vom
Standort, den es angeblich zu pflegen und zu heiligen gilt, ein Genuß,
ein Kunstgenuß sein? G.G. ist zuerst einmal auf Distanz gegangen
und nach Hongkong gereist. In einer Umgebung, die "bar jeder Moral"
den "ehrlichste(n) Ausdruck des Kapitalismus" widerspiegelt,
begann er seinen Vortrag über Deutschland zu skizzieren. Hier fand
er zielgenaue, in seiner Art unverwechselbare Metaphern für das Verschwinden
einer, unserer Republik, teilt zu Recht den Seitenhieb auf seine angeblichen
Übertreibungen aus, wonach der Beitritt der DDR zu einem Anschluß
verkommen mußte, und es weit schlimmer kam, als von ihm ausgemalt.
Die Standortproblematik selbst kulminiert schließlich in zwei Einakter-Schilderungen,
in denen er die um das "Soziale" verstümmelte Marktwirtschaft
im vereinsamten Kapitalisten und dem prominenten Steuerhinterzieher greifbar
macht. Ja, es ist ein Genuß, Unsägliches mit Ironie aber ohne
Resignation stiftenden Zynismus geschildert zu bekommen, und es ist Kunst,
sich am Ende seiner Ausführungen nicht für einen Aufruf zu schade
zu sein, der uns Bürger zur konstruktiven Verweigerung ermutigt. Die
Einmischung ist mehr gefragt denn je.
Weitere Besprechungen zu Werken von Günter Grass und Sekundärliteratur dazu siehe:
Büchernachlese-Extra: Günter Grass