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Das norddeutsche Landei Hans Odefey verschlägt es Anfang der 1980er nach Berlin in ein Nord-Neuköllner Hinterhaus. Eigentlich sollte er mit seinen 20 Jahren jetzt endlich ein Studium aufnehmen, aber schon bald lässt er sich treiben und versucht sich mit seinem Photoapparat als Chronist für die Zeitungen jener Tage über Wasser zu halten …
Johannes Groschupf hat mit "Hinterhofhelden" eine seltsam durchwachsene Berliner Stadtteilidylle vorgelegt, die mit ihrem nicht selten vom Suff getragenen Possen-Charme zuweilen durchaus zu unterhalten, aber dennoch als Ganzes nicht wirklich zu überzeugen vermag.
Wiewohl einige Eckdaten wie Jahrgang und Zeitraum seines Aufenthalts in Berlin mit denen des Autors übereinstimmen, wird der genannte Protagonist nicht mit ihm zu verwechseln sein. Der die Perspektive vorgebende Odefey ist derart einschichtig angelegt, dass er nur zum Resonanzboden für die einigen Hinterhof-Nachbarn in den Mund gelegte, sattsam bekannte Fortschreibung von Zille-Klischees samt bekannter Berliner Spruchdialektik taugt. Das gelingt dem Autor sogar ganz gut, die titelgebenden Nebenfiguren würden auch der Dramaturgie eines Volkstheaters alle Ehre machen und dort die Lacher abstauben.
Aber Groschupf wollte mit seinem Buch ja das spezifische Zeitbild der 1980er in einem konkreten Berliner Stadtteil vorstellen. Das zeigt sich auch daran, wie er mit der zusätzlichen Stimme eines auktorialen Erzählers Fassaden- und Geruchsdetails in geradezu poetischer Sprachregelung sinnlich erfahrbar zu machen sucht. Er beweist damit aber halt auch das Manko seines Odefeys und die fehlerhafte Konstruktion des Ganzen.
Sein Held soll naiv sein, ist aber schlicht farblos. Warum Odefey überhaupt erst studieren und warum er nach Berlin wollte, wie sich das kurz aufgenommene Studium anließ und warum er es gleich wieder aufgab, über die Hintergründe für seine fluchtartige Abreise von zu Hause wie auch über die Hintergründe für das Verhältnis zu seiner Familie erfährt man nichts. Die Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit gleichaltrigen und älteren Studenten verschenkt, wäre da immerhin noch sein sich anbahnender Kontakt zur Presse als Photograph - aber selbst der führt nicht dazu, dass sich darin das Zeitbild vom Anfang der 80er in West-Berlin und damit auch pars pro toto im studentisch dicht besiedelten Neukölln spiegelt. Seinerzeit ein Reagenzglas aller möglichen Noch-Minderheiten-Strömungen und Ismen wie u.a. Friedens- und Frauenbewegung, erste Wahl der Alternativen Liste ins Abgeordnetenhaus, Demos gegen die atomaren Sprengköpfe in den USA und der Sowjet Union sowie ganz allgemein die Erwartungen und Befürchtungen auf das dank George Orwell und seiner Dystopie zum Menetekel gewordene Jahr 1984. All dem vermochte dieser 20-jährige zu entkommen, ohne sich dazu in irgendeiner Form verhalten zu müssen? Nicht einmal die allgegenwärtigen Klebebilder oder Buttons mit "Atomkraft? Nein danke!" sind ihm aufgefallen?
Selbst die zweite, einzig erwähnte Grenzerfahrung beim Transit von Norddeutschland nach West-Berlin vermochte er angeblich ganz beiläufig zu verschlafen und plumpst in "sein" Viertel wie ein außerirdischer Alf. Der wenig später mit seiner Kamera durch die Straßen streunende, an einer glücklosen Liebe verzweifelnde Held entdeckt mit der Disco, dem Billig-Puff und der Trinkerkaschemme lediglich das dicht vor der Nase liegende und zollt dem einstigen Zeitgeist dieser Teilstadt und ihren Bezirken allein noch beim Schwarzfahren mit der BVG, der neuen Verordnung für Hundehaltung und einigen Referenzen wie den Songs von Bonnie Tyler Tribut.
Und nachdem sich auch die große Liebe Odefeys beim Leser ohne weitere Wirkung zu hinterlassen verabschiedet hat, bleibt eben nur noch die verklärend sozialromantische Idylle einiger ganz "netter", auf berlinisch vorgetragener Hinterhofszenen als das einzig Essentielle dieses Werkes zu vermelden.
Dafür hätte noch nicht einmal diese Rezension gelohnt, wäre da nicht die nichtsdestotrotz erkennbare Sprechfertigkeit von Johannes Groschupf, der man gern einmal demnächst in einem ihr dienlicheren und in sich stimmigeren Konzept begegnen würde.