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Ich muß zugeben: Vor der Lektüre dieses Buches wußte
ich nichts über den seit 1973 in Frankreich lebenden buddhistischen
Lehrer und Zen-Meister Thich Nhat Hanh. Allein der Titel LEBENDIGER BUDDHA,
LEBENDIGER CHRISTUS hat mich einigermaßen neugierig gemacht. Die
enge Verwandtschaft zwischen den Schriftreligionen Judentum, Islam und
Christentum ist ja allgemein bekannt, aber kann es auch eine vergleichbare
Annäherung zwischen Buddhismus und Christentum geben? Thich Nhat Hanh
jedenfalls gelingt sie mit einer erstaunlichen Leichtigkeit, ja, er vermag
über das Instrument des "echten Dialoges" sogar viele essentielle
Gemeinsamkeiten darzulegen. Damit ein Dialog allerdings "echt" und
fruchtbar sein kann, "muß man zutiefst in seiner eigenen Tradition
leben und zugleich anderen intensiv zuhören. Wenn man sich darin übt,
intensiv hinzusehen und intensiv zuzuhören, wird man frei und kann
die Schönheit und den Wert der eigenen Tradition wie auch anderer
Traditionen erkennen." Für Thich Nhat Hanh ist "religiöses
Leben Leben", und Leben meint den Alltag, der sich durch praktiziertes
Mitgefühl respektive durch "Achtsamkeit" auszeichnet. Diese
Achtsamkeit erreicht man weniger durch wortreiche Debatten, denn durch
Mediationsübungen. Von daher sieht er sich auch weniger den Theologen,
als den Mystikern verwandt. "Über Gott zu diskutieren ist nicht
die beste Art, seine Energie zu nutzen. Wenn man den heiligen Geist berührt,
berührt man Gott nicht als Begriff, sondern als lebendige Wirklichkeit."
Thich Nhat Hanh nutzt in seiner Schrift ganz selbstverständlich christliche
Termini für seine Darlegungen. Man hat dabei aber keinen Moment das
Gefühl, er würde sie argumentativ unredlich vereinnahmen. Vielmehr
scheint er sie tatsächlich trotz seiner anderen Tradition transzendiert,
d.h. wirklich durchdrungen zu haben - vielleicht hat er sogar mehr von
ihrer eigentlichen Bedeutung erfaßt, als so mancher "Sonntagsredner"
unseres Kulturkreises. Umgekehrt vermag er über diese Verständnisbrücken
z.B. auch einen Begriff wie "Nirvana" näherzubringen, indem
er ihm das Gebot gegenüberstellt, wonach wir uns kein Bild von Gott
machen sollen.
Thich Nhat Hanh besticht in seiner Spiegelung der eigenen
und der anderen Religion durch eine bündige und unverstellte Klarheit,
die einen in vieler Hinsicht wieder Glauben fassen läßt.