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"... ich bin nicht in meinem fünfzigsten Lebensjahr gestorben.
Nur wenige von denen, die mich kennen, betrachten das nicht als Tragödie."
Der erste Roman von Josephine Hart erzählt eine haarsträubende
Parabel auf das Leben und die Liebe.
John, Anfang fünfzig, Arzt und als Abgeordneter mittlerweile ein
Geheimtip für höchste Ämter, lernt die neue Freundin seines
Sohnes Martyn kennen. Sie wollen demnächst heiraten. Zwischen John
und Anna ist es jedoch eine amour fou auf den ersten Blick, die zuletzt
ein Todesopfer und das Auseinanderfallen einer bis dahin äußerst
respektablen Familie fordert.
Die nüchterne Rückschau ihres Protagonisten macht aus dieser
wilden Groschenheftstory ein bemerkenswertes Leseerlebnis.
Als gebrochener Mensch beschreibt John beiläufig die Rituale der
Londoner upper class, die den Hintergrund für seinen Egozentrismus
bilden, eine Ichbezogenheit, die eigentlich nichts mutwillig Bösartiges
in sich birgt und bei Einhaltung der Regeln als durchaus akkzeptabel anerkannt
wurde. Mit der gleichen Lakonie führt er schließlich über
seine ausgelebten Obsessionen an und mit Anna Buch. In präzise gebauten,
kurzen Sätzen wurde alles Moralinsaure vermieden und die Leserschaft
den Zwängen eines Alptraums ausgesetzt. John bereut auch am Ende seine
"Liebesgeschichte" nicht - er hat für eine kurze Zeit zum ersten
Mal gelebt ...
Mit der Überhöhung und Isolierung dieses Problems auf die
Ebene der Reichen, unter Auslassung kitschbeladener Stereotypen, gelang
der Autorin eine beinharte Analyse um sich greifender Aspekte unseres berüchtigten
Zeitgeistes, von der auch die Aussteiger ins Grüne angesprochen sein
könnten. Mit diesem Debut hat sich Josephine Hart einen hohen Maßstab
gesetzt, der einen auf den nächsten Roman gespannt warten läßt.