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"Schritt für Schritt ins Paradies" ist die Refrainzeile eines Liedes von Rio Reiser (Ton Steine Scherben) und zugleich das Motto für Otmar Hitzelbergers Bericht über seine Spontizeit Anfang der 70erjahre in Frankfurt am Main.
Ein wenig erinnert es an Franz Josef Degenhardts Lied "Wenn der Senator erzählt ...", wenn auch unter diametral entgegengesetzten Vorzeichen. Scheinbar ein einziger Höhenflug vom bereits mit 12 Jahren politisierten Hauptschüler zum 15-jährigen WG-Bewohner und "Rote-Punkt-Aktionisten" gegen die Fahrpreiserhöhungen öffentlicher Verkehrsmittel, sich ablachender Automatenplünderer, dann Mitinitiator und Akteur des seinerzeit Kult gewordenen Lehrlings-Arbeiter-Theaterstücks "Mensch, Meier", das auch Größen wie "Daniel" und "Joschka" auf den Plan rief, Jugendzentrums- bzw. Hausbesetzer und am Schluss Brokdorf, als es gegen die Atomkraftwerke ging. Dazwischen freie Lieben, nach außen hin auch frei von Eifersüchteleien, Gleichberechtigung von Frau und Mann noch sehr in den Anfängen, Kinder als Experimentierfelder ...
Eine unwiederholbare Zeit, denn die "Bullen" und Sachbeamten haben aufgerüstet, kennen zudem oft genug noch aus eigener Erfahrung die andere Seite. Lehrlingsplätze sind wie Arbeit überhaupt Mangelware - von daher ist das Spannendste an dem ganzen Buch die Widmung an die beiden Söhne des Autors zu Anfang.
Wie argumentiert der zum Filmemacher avancierte Hitzelberger heute mit ihnen, wenn sich dieser nachgefolgten Generation nun ganz andere Probleme entgegenstellen? Kann er Daniel und Joschkas Entwicklung nachvollziehen und gutheißen? Weiß er mittlerweile etwas mehr um jene Bremse in sich, die ihn einst daran gehindert hat, über Sachbeschädigung und Kloppereien hinauszugehen und es einem Messerstecher nicht mit gleicher Münze heimzuzahlen?
Diese Fragen werden jedoch leider nicht gestellt. Schön war die Zeit, intensiv und aufregend - aber Schritte ins Paradies? Die Veteranen werden nicken, die Bedenkenträger insgeheim ein wenig neidisch sein. Eine Zeile eines der letzten Lieder Rio Reisers lautet "Es ist vorbei ..."