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Zugegeben: Er war mir schon als Pubertierender im Ohr - lirum, larum,
Löffelstiel! Aber das ist auch kein Wunder, als Wirtschaftswunderfrischling
pflückte man ja bereits am gereiften elder letterman, was sich nicht von
Briefeschreiben - dazu hat er nur noch für wenige Zeit - sondern
von Buchstabe für Buchstabe im Munde drehen und zergehen-lassen ableitet.
Den Verlag mit seinem Termindruck im Nacken, das Telefon ausgehängt,
gab er was vom Besten und hat uns allen eins geschrieben.
Und selbst seine nörgeligen KritikerInnen, die ihn stets zu milde,
zu literarisch, zu, zu, zu fanden, werden zugeben müssen, daß
er in seinen GEDANKENGÄNGEN EINES FAHRENDEN POETEN keine, ich meine
"natürlich" keine und jetzt "erst recht" keine lauwarme
Memoirenluft abgelassen hat.
DU KOMMST AUCH DRIN VOR - und das ist nicht gelogen: Er kennt und kannte
viele, und freut sich unverhohlen am dem Dabeigewesensein ihrer Werdegänge.
Er, das "alte Kind" ist "stolz" auf die Freundschaft mit
Konstantin Wecker und dem "großen", aber weiß Gott jüngeren
Richard Richling. Und er wollte keine/n vergessen, die/der ihn gestützt,
geschoben, gezogen und gelassen hat.
Hanns Dieter Hüsch leistete es sich, seine allgemeingültigen
Wahrheiten über Hagenbuch und Frieda und Gott und die Welt als seine
ganz persönliche Wirklichkeit zu entschlüsseln.
Das Bild von sich und seiner Herkunft ist (natürlich) nicht rosig,
und es ist offenbar vor allem die erste Hälfte seines Lebens, die
ihm Stoff für sein niederrheinisches Kaleidoskop gab.
Dem entspricht auch die erste Hälfte seines Buches, einem Non-Stop
sprachakrobatischer Verwicklungen, denen kein erinnerungswürdiges
Erlebnis entkommen sollte, und die er nun am liebsten möglichst alle
in einer Minute, ach was, in einer Sekunde loswerden und verstanden haben
wollte. Das Kapitel ORTHOPÄDIE UND ENTERTAINEMENT ist dann auch nur
die sachlogische Verkürzung, die andere um ein "von ... bis ..."
erweitert hätten.
Im Anschluß daran altbekannte und schon wieder unbekannte Texte
& Lieder, die sich jetzt wieder und neu festhaken.
Der ASCHERMITTWOCHSMENSCH lebte Nachkriegszeit, in Mainz, 40 Jahre
lang, mit Unterbrechungen, und wieder am Rhein.
Seine Prosa sortiert sich da, kämpft mit dem auf die Reihe bringen,
denn es ist wohl leichter, keinem anderen, aber sich selbst auf die Füße
treten zu müssen, oder auch nur in aller Gewaltfreiheit auf sie schauen
zu wollen.
Hanns Dieter Hüsch mußte sich immer wieder entscheiden.
Und er, der lieben und geliebt werden wollte, hat immer mindestens einer
wehgetan. Ganz natürlich, aber kaum einer gibt das so gekonnt und
glaubhaft zu - wir kommen auch drin vor!
Nach dem Tod seiner Frau muß er weg, bleibt aber am Rhein und
lebt jetzt in Köln und trifft Gott und die Welt, und lernt mehr aus
Versehen und zaghaft eine neue Liebe kennen, und wundert und freut sich
an der Blumenfrau, die ihm zu den gekauften Rosen, einfach so, weil sie
ihn und seine Arbeit schätzt, ein paar Tulpen schenkt. Das geschieht
ihm völlig recht!
Sein Testament am Schluß stimmt fröhlich-traurig, denn man
hätte noch gerne weitergelesen und teilgenommen an seiner Wirklichkeit.
Aber noch teilt er ja seine Wahrheiten aus, auch wenn er jetzt "endlich"
den Rat vom Wolfi Neuss befolgen und "nur" noch "Komiker"
sein will.
"... oft war und ist meine Geschichte auch die Geschichte von anderen.
Und das werden immer die schönsten Geschichten bleiben."
Nachruf und weitere Besprechungen zu Werken von Hanns Dieter Hüsch siehe:
Textenetz: Hanns Dieter Hüsch