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Dem New Yorker 'Sonderkorrespondenten' eines auf skurrile Sensationen spezialisierten TV-Nachrichtensenders wird vor laufenden Kameras von einem Zirkuslöwen die linke Hand abgebissen. Patrick Wallingford war bis dahin ein mäßig ambitionierter Journalist, eher gedanken- als wirklich rücksichtlos, dem sein gutes Aussehen zu unzähligen Bettbekanntschaften verhalf - einfach deshalb, weil er sich seines Aussehens nicht bewußt war. Auch Mrs. Clausen konnte sich seiner Wirkung nicht entziehen und überredete ihren Mann, im Falle seines Todes die linke Hand zugunsten des nun weltberühmten 'Löwenmannes' spenden zu dürfen.
Worin besteht der Unterschied zwischen dem neuesten Roman von John Irving und einem Ärzte-Adels-Groschenheft? John Irving nutzt in 'Die vierte Hand' einen ungleich größeren Wortschatz, und er ist um Dimensionen witziger und bissiger! Alle fünf Seiten mindestens ein Lacher - bei über 400 Seiten insgesamt wird da dem Zwerchfell schon einiges zugemutet. Zudem fundiert sein Plot auf Tatsachenberichten.
Dennoch bleiben die Hauptfiguren nicht haften, sie kommen wie Schaumgebäck daher ohne jeden weiteren Nährwert. Zeitgemäße, um nicht zu sagen 'trendige', gleichwohl ('männlich') stereotype Wunschprojektionen werden in aberwitzige Konstellationen gebracht, um am Ende ins unabwendbare Happy End katapultiert zu werden. Auch die satirische Zuspitzung des amerikanischen Skandal-Journalismus gerinnt hier zur Soap-opera, die keine neue Erkenntnis erlaubt. Dort, wo Irving dann doch noch in die Tiefe gehen will, also in der Wandlung Wallingfords zum liebesfähigen Ehemann und Vater, wird sein temporeiches Fabulieren zur stockenden Behauptung, die nur noch durch die vor allem sexuell aufgeladene Aura der geheimnisvollen Mrs. Clausen unterboten wird. Die Spaßgesellschaft wird das Buch dennoch lieben und sich bei der Lektüre mit großem Vergnügen 'einen ablachen'.