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Noch immer geht er in das Cafe des alten Vergnügungsviertels, aber
es ist nicht mehr so wie früher. Damals hob sich das Cafe als Ort
intelektueller Auseinandersetzungen um Kunst und Politik von den lauten
Amusements der anderen genugtuend ab - jetzt (1948) sind Masuji Ono und
Shintaro die einzig verbliebenen Stammgäste dieser Oase, während
drumherum die Häuser in Schutt und Asche liegen.
Ono wird zwar als herausragender Maler anerkannt, aber die Verhandlungen
um die Verheiratung seiner, mit 26 Jahren, alten Tochter sind schon einmal
gescheitert. Reicht es demnach nicht mehr aus, mit seiner Kunst stets das
Beste gewollt zu haben? Vor Beginn des Krieges war Ono davon überzeugt,
daß ein jeder sich für die nationale Identität Japans nach
Kräften einsetzen muß, notfalls auch als Held fürs Vaterland
zu sterben hat. Im Nachhinein wissen nun auf einmal alle, daß dies
falsch war ...
Oem Ich-Erzähler Ono gelingt es, das ferne Japan in seiner Faszination
und zugleich erschreckender Strenge vorzustellen. Das philosophische Erleben
einer Landschaft, eines Parks, eines Hauses korrespondieren mit den feinsinnig
ausgeklügelten Ritualen der Begegnung untereinander, die z.B. auch
einen Selbstmord als ehrenhafte Entschuldigung vor der Nachwelt gelten
läßt. Das 'fließende' Element spiegelt sich aber nicht
nur in dem Nach- und Ineinander von Geschichte, sondern auch in den einzelnen
Personen wider. Mit plakativen Verkürzungen
wie reaktionär oder fortschrittlich können sie nicht abgetan
werden. Jede/r will und muß das Gesicht wahren, und so ist die Selbstbeschuldigung
Onos anläßlich eines zweiten Anlaufs zur Verheiratung der Tochter
hoher Ausdruck seiner Integrität, während andere nur in richtigen
Augenblick die richtige Fahne hissen.
Kazuo Ishiguros sensible Sprachführung läßt uns durch
die Augen des Künstlers nicht nur den Gegenstand, sondern auch dessen
Schattierungen im wechselnden Licht erkennen.
So bizarr sich manchem das 'geheimnisvolle' Asien darstellen mag, gerade
dieser Roman rückt auf sehr unterhaltsame Weise auch die Traumen der
eigenen Geschichte nah, ermutigt eventuell sogar dazu, nach neuen Denkkategorien
für sie Ausschau zu halten.