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Hans Jonas

Philosophische Untersuchungen und metaphysische Vermutungen

Insel, Frankfurt a. M. 1992, 257 S., ISBN: 3-458-16262-3, >>> Amazon
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Philosophie. Rückschau und Vorschau am Ende des Jahrhunderts

Rede vom 25. Mai 1992. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1993, 43 S., ISBN: 3-518-40517-9, >>> Amazon
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Hans Jonas, dessen Untersuchungen zur philosophischen Anthropologie seit Jahrzehnten der weltanschaulichen Diskussion international wesentliche Impulse gegeben hatten, zog in den letzten Monaten vor seinem Tod Zwischenbillanz - zu entgültigerem würde sich ein Denkender, insbesondere ein Philosophierender seines Ranges nie verstiegen haben.
In PHILOSOPHISCHE UNTERSUCHUNGEN UND METAPHYSISCHE VERMUTUNGEN legte er also eine repräsentative Sammlung seiner Abhandlungen vor, die bisher nur verstreut in verschiedenen Kompendien nachzulesen waren. Nicht nur dank seiner Überarbeitung lesen sich die Texte, als seien sie von vorneherein für ein Ganzes komponiert worden. Die Vielfältigkeit der verschiedenen Ansätze von Hans Jonas waren offenkundig nie voneinander losgelöst, und sie entwickeln vor den Lesern ein Gedankengebäude, das insbesondere durch seine Transparenz zu wirken vermag. Als fast 90-jähriger keineswegs altersstarrsinnig, deckte er in seinen Schlußfolgerungen schonungslos seine eigenen (wenigen) Schwachstellen auf. Das verlangt einen subtilen Sinn für Humor, der nur wenigen dieser Geisteszunft zu eigen ist. Genauso selten war die Begabung von Hans Jonas, trotz des unvermeidlichen Fachvokabulars eine auch dem interessierten Laien vermittelnde Sprache zu sprechen. Wenn man dann doch manche Seite das zweite oder dritte Mal liest, dann wegen der dichten Stringenz ihrer Argumente, die man mit Genuß noch einmal nachvollziehen will. Denn Hans Jonas saß offenbar nie im Elfenbeinturm, sondern fragte nach der direkten, sinnvollen Umsetzbarkeit seiner Philosophien. Zugleich scheute er auch nicht vor Fragen und Vermutungen zurück, die, weil tatsächlich unbeantwortbar, von anderen Philosophen nicht mehr angegangen werden. Daß und wie eine solche Auseinandersetzung auch ohne endgültige Lösungen seinen Wert haben kann, verstand Jonas treffend nachzuweisen. Es bedurfte dazu allerdings seiner klaren Sprachregelung sowie seiner profunden Sachkenntnis, die eben auch durchaus in der Lage war, in sich bündige Systeme zu entwickeln. 
Die Aufsätze dieses Buches lassen den Leser drei große Schritte nachvollziehen.
Im ersten Kapitel legt er mit seinen Theorien über den "Organismus und Sonderart des Menschen" seinen anthropologischen Ausgangspunkt fest. Seine Überschriften verweisen schon zu Beginn auf die Spannungsbögen seiner Untersuchungen: Evolution und Freiheit; Werkzeug, Bild und Grab - Vom Transanimalischen des Menschen; Wandel und Bestand - Vom Grunde der Verstehbarkeit des Geschichtlichen; Last und Segen der Sterblichkeit.
Das zweite, also zentrale Kapitel drängt in die oben erwähnte Pragmatik. Fesselnd schildert Jonas die Folgen der Entdeckungen und Anstöße durch Kopernikus und Giordano Bruno, den Drewermann sich in einem seiner letzten Bücher zum alter ego erkoren hat, bishin zu Newton, um schließlich den Nachweis zu führen, daß die Naturwissenschaften mit ihrem "objektiven Determinismus", wonach nur die "Kraft von hinten" alles antreibt, sich in eine argumentative Sackgasse manövriert hat. In ihr ist "kein Zug der Zukunft, nur der Stoß der Vergangenheit". Transzendente, außerweltliche Ursache würde von ihr ebenso ausgeschlossen wie eine innerweltliche mentale Kausalität, wiewohl letztere offenkundig jeder subjektiv erfahren kann. Von diesen Überlegungen ist es dann für Jonas nur noch ein kleiner Schritt gewesen, eine "ontologische Grundlegung einer Zukunftsethik" zu entwickeln. Wohlgemerkt, nicht Ethik der Zukunft, sondern für die Zukunft. In ihr kann nun jeder vernunftbegabte, umweltbewußte Mensch nachlesen, was er bisher nur "irgendwie" erahnte, aber so nicht zu formulieren und auf einen tragfähigen, generellen Nenner zu bringen vermochte. Der dritte Abschnitt dieses Kapitels diskutiert diese Ethik anhand einer konkret gewordenen Problemstellung, den neuesten Fortpflanzungstechniken, wie man weiß, einem Teilbereich der Genforschung.
Das letzte Kapitel wird von philosophischen Spezialisten, sprich Fachidioten, sicher heftig angegriffen oder noch schlimmer, einfach nicht ernstgenommen werden. Andererseits werden auch einige Theologen "ins Schwitzen geraten", denn die drei Beiträge zur Auseinandersetzung der letzten Dinge, ein "Nachtrag zu den Gottesbeweisen", dem "Gottesbegriff nach Auschwitz" sowie seinem "kosmologischen Befund und kosmogonischer Vermutung" führen u.a. konsequent und plausibel vor, daß Gott z.B. nicht "allmächtig" sein kann. Dem gegenüber steht jedoch am Ende einer anderen Argumentationskette: "Aber was für einen Sinn können diese beiden Annahmen haben, wenn es nicht eine unabhängige Existenzform der Wahrheit gibt, die unseren Vermutungen gegenübersteht und sie im geheimen richtet, selbst wenn wir ihrer nie habhaft werden?"
Dieses Buch ist ein sokratischer Denkgenuß. Für Sokrates war Philosophie ja weniger die festzuhaltende Lösung, als der Weg dahin - eben das Philosophieren an sich. Ein Vermächtnis also, das mehr als nur Kenntnisnahme verdient!

Das neueste, posthume Druckzeugnis belegt eine Rede von Hans Jonas, die am er 25.Mai 1992 unter der Überschrift PHILOSOPHIE. RÜCKSCHAU UND VORSCHAU AM ENDE DES JAHRHUNDERTS gehalten hatte. Sie setzt noch einmal am Ende des oben besprochenen Buches an und skizziert darin u.a. seine geistigen Lehrväter, um zuletzt erneut auf ein "ausgeglichenes Budget zwischen Mensch und Natur zu drängen."

Buechernachlese © Ulrich Karger


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