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DAS ECHOLOT zum zweiten. Der Untertitel (Fuga Furiosa) spricht für sich und umfaßt 'ein kollektives Tagebuch', das diesmal mit dem 12. Januar 1945 beginnt und dem 14. Februar 1945 endet. Historische Klammer und zugleich Vorboten des Kriegsendes bilden die nicht mehr aufzuhaltende Großoffensive der Roten Armee und die Zerstörung Dresdens durch die britisch-amerikanischen Bombenangriffe.
Einmal mehr erweist sich Walter Kempowski als emsig genialer Herausgeber und Collagist einer historisch, lakonischen Momentbeschreibung. Die Qualität dieser wie der vorangegangenen Textsammlung liegt in den Möglichkeiten der Leserschaft, sich die subtil gesetzten Mosaiksteine als eine Summe menschlich verschiedener, sich z.T. diametral gegenüberstehender Wahrnehmungen und Lebensäußerungen anzueignen - und angesichts ihrer oft erschreckenden Borniertheit zu erschauern. Eintragungen Dr. Morells, Hitlers Leibarzt, setzen meist den Tagesanfang, um dann von Feldpostkarten, Briefen 'daheim' oder amtlichen Mitteilungen ergänzt zu werden. Neben 'Volkesstimme' werden hier aber auch Briefe prominenter Zeitzeugen dokumentiert. Wer speziell danach sucht, wird im Register des 4. Bandes fündig. Das liest sich dann wie ein Who's Who, beginnend bei Konrad Adenauer über Wolfgang Borchert, Albert Camus, Otto Dix bishin zu Arnold Zweig. Doch auch die 'Normalsterblichen' sind hier erfaßt, und wer von ihnen mit mehreren Beiträgen vertreten ist, kann dank der Querverweise nun hintereinander gelesen werden. Daneben finden sich im mehr als 50 Seiten umfassenden Angang noch ein Quellenverzeichnis und Karten des einstigen 'Reichsgebietes'. Als letzter Text sind die Beschlüsse von Jalta nachzulesen.
Das alles zusammen hat leider seinen Preis - der aber nicht nur wegen der aufwendigen Leinenausstattung dieser geballten Zeitzeugenschaft mehr als gerechtfertigt ist.
Weitere Besprechungen zu Werken von und über Walter Kempowski siehe:
Büchernachlese-Extra: Walter Kempowski (1929 - 2007)