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Büchernachlese-Extras: Karl Kerényi | Mythen, Sagen und Märchen

Karl Kerényi

Urbilder der Griechischen Religion

Magda Kerényi (Hg.). Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1998, 287 S., ISBN: 3-608-91803-5, >>> Amazon
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Ein Jahr nach seinem hundertsten Geburtstag liegt nun auch der fünfte und letzte Band der Werkausgabe Karl Kerényis vor. Damit sind all jene Bücher und Schriften des ungarisch-schweizerischen Gelehrten wieder verfügbar gemacht, die ein mitreißend klares Bild von der antiken Religion und Mythologie vermitteln.
Die "URBILDER DER GRIECHISCHEN RELIGION" versammeln vier sich zum Teil aufeinander beziehende Einzelpublikationen, die zwischen den Jahren 1942 und 1948 entstanden sind und nichts an ihrer verführerischen Plausibilität eingebüßt haben. Kerényi wußte den zuweilen sogar nur in Fragmenten vorliegenden Überlieferungen verblüffende Erkenntnisse zu entlocken, ohne das durch Raum und Zeit bedingte Fremde dieser Thematik wegzuglätten.
Selbst "nur" interessierte Laien können sich mit Gewinn und Genuß an diese wissenschaftlichen Studien "heranwagen", da Kerényi bei aller Sachlichkeit und Quellenschau sein literarisch ambitioniertes Gefühl für Sprache in gutgebauten Sätzen unter Beweis stellte.
Von der Herausgeberin Magda Kerényi sinnfällig aneinandergereiht, werden uns hier vier Götter anhand ihrer Mythen und Kulte nähergebracht: Der Arzt-Gott Asklepios, Hermes der Seelenführer, die rätselhaften Kabiren und Prometheus. Diese Götter boten sich Kerényi in der Zeit des Krieges und der Emigration nicht von ungefähr zur besonders intensiven Auseinandersetzung an, sind sie doch der menschlichen Hilflosigkeit am meisten zugewandt.
Das Vorwort zu "Der göttliche Arzt" beginnt Kerényi mit einer allen vier Studien zugrundeliegenden Gegenhypothese, wonach die Ersterwähnung eines Mythos in einer jüngeren Textquelle nicht automatisch den Beleg für eine relativ junge Erzähltradition hergibt. Es gilt nach Parallelen zu suchen und sich hierbei nicht von anderslautenden Namen verunsichern zu lassen. So sind (nicht nur) bei Asklepios Variationen ein und desselben Mythologems auszumachen, die weit in die vorhomerische, ja sogar vorgriechische Zeit verweisen. Der mit Schlange und Stab gekennzeichnete Gott hat demnach einen sehr engen Bezug zu Apollon und zu der bis ins 15. Jahrhundert v. Chr. nachweisbaren tessalischen Mythologie um Chiron, dem arzneikundigen Kentauren.
Wenn Kerényi fragt "Was erschien den Griechen als Hermes?", setzt er eine seelische, möglicherweise auch darüber hinausreichende Realität voraus. So ist die Welt der Ilias keine typische Hermeswelt, im "Reise-Epos" der Odyssee dagegen wird Hermes ganz selbstverständlich als zauberkundiger Retter und im letzten Gesang als Seelenführer eingeführt. Als Meisterdieb von Apollons Rindern wiederum beweist Hermes eine "Unschuld des Werdens", die "nichts mit Sünde und Sühne zu tun" hat. Zudem ist er ein Gefährte von Göttinnen und vom satyrnhaften Silenos und wird auch in seinen Beziehungen zu Eros vorgestellt. Die Kapitel über "Das Mysterium der Herme" und seinen doppelten Bezug zum geheiligten Widder vervollständigen dann die Sicht auf das äußerst vielschichtige Spektrum dieses Gottes.
Im Kapitel zu den "Mysterien der Kabiren" setzt wieder eine instruktive Einleitung den Anfang. Hierin spricht Kerényi von der Gefahr der Forscher, "einem ihm, dem heutigen Menschen, geläufigen Gehalt, durch den Gleichklang der Namen verführt, auf eine unhistorische Weise der Antike zu unterschieben". Das gilt auch für den Begriff "Mysterium". So war das "Geheimgehaltene" im griechischen Kult allen im Umkreiswohnenden durchaus bekannt, es war jedoch etwas "Nicht-Auszusprechendes". So auch das in die tiefste Vergangenheit reichende, sich auf Persephone beziehende Mysterium der sich mit einem Schleier verhüllenden Braut und eine uralte "Storchenmythologie", die den Ursprung des Lebens erklärt.
Den krönenden Abschluß bilden die Studien zu Prometheus. Wie diese Gottheit für die Menschheit einsteht und mit ihr gemeinsame Sache macht, gibt sie ihr sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit der Beziehung Christi zur Menschheit. Da Prometheus jedoch ein Gott ist, ist sein Leiden von einer besonderen Paradoxie, die Kerényi unter anderem auch an einem fragmentarischem Frühwerk Goethes untersucht. Dies nicht von ungefähr, denn der "Weltschöpfer" einer griechischen Mythologie "ist der Dichter, der solches dichtet."
Jedes Kapitel mit Anmerkungen versehen, fehlen im ersten auch nicht die 57 schwarz-weiß Photos, auf die sich der Autor bezieht. Das in Leinen gebundene Buch wurde um ein Register erweitert und hat angesichts seines Preises nur einen Mangel: Es fehlen ein, besser zwei Lesebändchen, die das Springen zwischen Text, Anmerkungen und Photos erleichtern würden.

Weitere Besprechungen zu Werken von Karl Kerényi siehe:
Büchernachlese-Extra: Karl Kerényi

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