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Als den Zwillingen John und Philippa bereits mit 12 Jahren die Weisheitszähne entfernt werden müssen, erhalten sie endlich auch Aufschluss für manch anderes Unerklärliche in ihrem Leben. Sie sind 'gute' Dschinns und ihre Fähigkeiten werden dringend gebraucht, um das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zu bewahren. Denn wer von den rivalisierenden Dschinn-Stämmen zuerst die lange Zeit verschollenen 70 Dschinn des Pharaos Akhenaten findet, dessen Seite ordnen sie sich zu. Doch zuerst müssen John und Philippa noch einen beängstigenden Initiationsritus bestehen …
Wie in der Pop-Musik-Industrie zielen die Verlage immer mehr auf von vorneherein mehrfach verwertbare 'Mainstream-Produkte' anstatt mit Originalität und Qualität Maßstäbe setzen zu wollen. Mit einem ungeheuren Werbeaufwand sollen nun gleich Megaseller platziert werden. So wird im Presse-Begleitschreiben stolz darauf hingewiesen, dass für die Weltrechte von 'Die Kinder des Dschinn' bereits 1,7 Millionen Dollar bezahlt wurden und Steven Spielberg sich die Filmrechte gesichert habe.
Aber heißt es nicht, dass der Millionenerfolg von Harry Potter auch bereits abtrünnig geglaubte Jahrgänge wieder zum Lesen verführt habe? Mag sein. Bei P.B. Kerr, bislang als Krimiautor bekannt, scheint jedoch im Gegensatz zu Joanne K. Rowling vor dem Schreiben das Konzept eines vermarktungsfähigen ..Produktes gestanden zu haben. Sein erstes 'Kinderbuch' ist in drei Teilen angelegt und nur schwerlich Kindern ab 10 Jahren anzuempfehlen, wie es der Verlag vorschlägt. Für diese Zielgruppe bedürfte es einer anderen Sprachregelung, die u.a. nicht derart unbekümmert und ohne Not Fremdwörter im Text belässt. Was bei anderen noch als möglicherweise anstachelnde Überforderung durchgehen könnte, ist hier lediglich das Zeichen einer vorgeblichen Lockerheit, die andere Schludrigkeit nennen würden. Zudem scheint die Übersetzerin englische Muttersprachlerin zu sein: 'Sie gingen nach unten und fanden, dass ihre Eltern im Flur miteinander flüsterten' (S.62)
Weit misslicher jedoch, dass auch das hierin zu Tage tretende Weltbild sehr 'locker' gestrickt ist. Ohne die Dschinn einer Religion zuzuordnen - in Tausendundeine Nacht werden in ihrem Zusammenhang Allah und Salomons Siegel immer wieder ausdrücklich genannt - sind sie hier 'irgendwie' auf eine dritte Daseinsform neben Engel und Menschen reduziert, die dem Element des Feuers entspricht. Allen drei Daseinsformen wurde 'irgendwann' die 'so genannte Große Entscheidung aufgezwungen', sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden. Weil Dschinns 'aus einer feinstofflichen Feuermasse bestehen, hatten sie die Fähigkeit, nach Belieben mehr oder weniger jede Gestalt anzunehmen.' Und wegen ihrer Möglichkeit der Wunscherfüllung haben sie die Macht über das Glück. Jeweils drei Dschinn-Stämme stehen sich nun gegenüber: Die Marid, Jinn und Jann sind die guten, Ifrit, Schaitan und Ghul die bösen. John und Philippa gehören zum mächtigen Stamm der Marid, ihre Mutter ist das Stammesoberhaupt. (Warum im Übrigen der ansonsten genau bezeichnete Pharao der 70 Dschinns nun Akhenaten heißt und nicht Echnaton, bleibt ungeklärt. Vielleicht ein letzter Rest von Respekt oder gar Scham?)
In jeder Hinsicht Angehörige der von Existenzsorgen nicht geplagten Upperclass, verkünden die Helden in Rahmenerzählung und Dialogen unreflektiert snobistische Verächtlichkeiten sowie einen Chauvinismus, der allzu oft und gar nicht witzig die Vorurteilklischees gegenüber Ägyptern ('Wie gewöhnlich waren sie mit der illegalen Ausgrabung historischer Gegenstände beschäftigt …'), Engländern, Franzosen usw. bedient.
Und trotzdem bahnt sich für dieses Produkt ein Welterfolg an. Eigentlich nur ein aufgeblähtes Drehbuch und kompatibel zur angeworfenen Werbemaschinerie, wird Kerrs Fluchtwelt mit ihrer simplen Schwarzmalerei nicht zuletzt als Film die 'Kunden' einzufangen wissen. Wieder mal ein Sieg der Ifrit?