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Die Folgen kindlicher Mißhandlung bekommt Rose Daniels 14 Jahre
lang zu spüren. Ihr Ehemann Norman schlägt und demütigt
sie in der Gewißheit, daß er als Polizist nahezu unangreifbar
ist. Es gilt der Ehrenkodex, wonach ein "Verrat" unter Kollegen
schier unmöglich ist, noch dazu wenn jeder von jedem etwas weiß.
Dennoch gelingt Rose eines Tages die Flucht. Sie hat Glück und trifft
auf Menschen, die ihr helfen, ein neues Leben zu beginnen. Unterschwellig
aber bleibt die begründete Angst, daß ein Mann wie Norman das
Verschwinden seiner Ehefrau nicht einfach hinnehmen wird. Und wäre
da nicht dieses eigentümliche Bild, das die Rückenansicht einer
Frau mit dem togaähnlichen Gewand in der Farbe "Rose Madder"
zeigt, hätte Rose Daniels ihre Flucht keine zwei Jahre überlebt.
Stephen King nutzt wie in seinem letzten Roman "Schlaflos" die Metaphorik
griechisch antiker Mythen. Allerdings diesmal mehr am Rande: Die Verwebung
vom Labyrinth des Minothaurus und amzonenhafter Wehrhaftigkeit in obengenannten
Bild setzt weniger auf die Begründung einer Handlung, sondern gibt
vielmehr den Verweis auf Kräfte, die nur mit äußerster
Vorsicht zu handhaben sind - und die, je nach Vorgeschichte, in jedem und
jeder von uns wirksam sind. So ist auch Rose Daniels nicht völlig
davor gefeit, bald selber das Rad des Wahnsinns weiter zu drehen und vom
Opfer zur Täterin zu werden. King besticht in seinem neuesten Roman
"DAS BILD" wie schon in seinen früheren Werken durch die detailgenaue
Zeichnung seiner Protagonisten. So deckt er Verwandtschaften auf, wenn
er z.B. Norman haarscharf an den Wahrheiten vorbeischrammen läßt,
anstatt ihn einfach zu einer Karikatur des dumpfen Triebtäters zu
stilisieren. Manches was Norman sagt und denkt, wird selbst einem von political
correctness durchdrungenen nicht unbekannt sein - zumindest insgeheim.
Die blutige Spur, die Norman auf seiner Suche nach Rose zieht, ist grauenvoll.
Nur - Stephen King mußte hierfür nicht in die Klamottenkiste
greifen. Ihm gelang (einmal mehr) ein phantastischer, in seiner Plausibilität
aber überzeugender Roman aus dem Reich des alltäglichen Horrors.
Weitere Besprechungen zu Werken von Stephen King siehe:
Büchernachlese-Extra: Stephen King