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Leemet lebt mit seiner Familie im Wald, doch damit gehört er einer aussterbenden Lebensform an. Die anderen haben sich in einem Dorf auf einer Lichtung angesiedelt und vergessen Alles, was das Leben im Wald lebenswert gemacht hat.
Schon bald ist Leemet gleich in mehrfacher Hinsicht der Letzte, u.a. auch darin, die Sprache der Schlangen zu erlernen. Dabei erleichtert die Schlangensprache, die auch von anderen Tieren verstanden wird, das Leben im Wald sehr: So hilft sie Missverständnisse mit Schlangen und Bären zu vermeiden und erlaubt sogar Freundschaften mit ihnen. Dümmere Tiere, wie Wölfe, Elche oder Rehe können mit Befehlen in Schlangensprache je nach Bedarf gemolken oder geschlachtet werden.
Das Alles gaben die Menschen aus dem Wald aber auf, um nun den neuen "Moden" der Christen nachzugeben und sich von Kreuzrittern, Mönchen und der Mühsaal des Ackerbaus drangsalieren zu lassen. Schlimmer noch: Sie können es nicht ertragen, wenn jemand wie Leemet dieser Mode nicht entsprechen will, und machen ihm das Leben schwer. Doch Leemet lässt sich nicht beirren, Dummheit bleibt Dummheit, egal, in welchem Gewand sie daherkommt. Und um sie zu bekämpfen, müsste der Nordlanddrache gefunden und erweckt werden - wofür aber mindestens 10000 Menschen nötig wären, die die Schlangensprache beherrschen …
"Der Mann, der mit Schlangen sprach" von Andrus Kivirähk wird zwar unter dem Label Hobbit Presse des Klett-Cotta-Verlages als Fantasytitel vertrieben, sprengt das Genre aber um ein Vielfaches. Wegen der sprechenden Tiere, aber nicht zuletzt auch wegen seiner Qualität "fabelhaft", lässt sich das Buch trotz seiner Romanform aus der Ich-Perspektive Leemets als Parabel einordnen. Wiewohl mit 462 Seiten durchaus umfangreich, ist hier kein Wort zu viel gesetzt, behält die Wortwahl durchgehend eine schnörkellose Lakonie bei. Auch von "moralinsauer" kann nirgends die Rede sein, vielmehr bleibt Leemets Perspektive stets hinterfragbar, hinterfragt er sich doch auch selber immer wieder. Wie Menschen und Tiere hier einerseits stilisiert werden und zugleich ihre jeweils sehr eigene Noten haben, bereitet ebenso großes Vergnügen, wie auch neben den Einsprengseln estnischen Sagengutes z.B. die Umkehrung der Lehren, die man hier aus der biblischen Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies ziehen kann.
Cornelius Hasselblatt vermochte das Buch ausgezeichnet, weil sehr eingängig zu übersetzen - warum erst 10 Jahre nach Erscheinen der Originalausgabe, ist umso weniger nachvollziehbar.
Estland, in letzter Zeit oft wegen seiner Wirtschafts- und Digitalisierungsleistungen im Fokus, sollte längst auch mit Autoren wie Andrus Kivirähk in unserem Sprachraum Furore machen. Wer gut unterhalten werden und zugleich ein wenig über den eigenen Tellerrand schauen will, erlebt jedenfalls mit "Der Mann, der mit Schlangen sprach" ein Leseabenteuer der Extraklasse.