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Die preisgekrönte Geschichte vom 'Club der klugen Kinder' setzt auf das gerade bei Kindern sehr beliebte Geschichtenmuster: Kleiner David siegt gegen übermächtigen Goliath und gewinnt am Ende ein Königreich, eine Million Dollar oder die Liebe seines Lebens. Doch die Autorin E.L. Konigsburg suchte dieses Schema zu durchbrechen. Nicht ein einzelner Underdog, sondern vier durchaus behütete Mittelschichtskinder einer 6. Klasse vermögen sich gemeinsam durchzusetzen und siegen nach vielen Ausscheidungswettkämpfen zuletzt auch in einem Quizfinale auf Länderebene. Noch dazu gegen die Schüler einer 8. Klasse. Die spannungsgeladene Chronologie der Ereignisse ergibt sich aus einer jeweils nur um ein Geringes versetzten Rückschau der vier Helden Noah, Nadia, Ethan und Julian. Der bestechende Clou daran: Nicht die Summe verkannter Genies, sondern der Respekt vor den jeweiligen Lebenserfahrungen führt zum Sieg. Dank einer gesunden Portion Neugier und eines vorurteilsfreien Teamgeists vermittelt sich dann schon fast wie von selbst so Einiges über Kalligraphie, das Ökosystem in der Saragossa See, amerikanische Frauenrechtlerinnen und Alice im Wunder- bzw. Spiegelland.
Soweit gar nicht so schlecht, wenn man mal den etwas elitären Leistungsaspekt beiseite läßt. Trotzdem: Dieses Buch ist, wenn überhaupt, nur unter verkehrten Vorzeichen für eine kritische Betrachtung im Klassenverband zu empfehlen.
Der maniriert zuckrig-witzige Humor, mit dem Noah das Buch einleitet und seine Erlebnisse als 'best man' bei der Trauung eines Seniorenpaares schildert, wäre noch zu vernachlässigen. Ebenso das unkommentierte Konfrontieren mit US-amerikanischen Phänomenen wie das Sammeln von 'Coupons', gewinnt die Geschichte doch mit den nachfolgenden Erlebnissen sehr schnell an Fahrt. Aber die im Mittelpunkt des Buches stehende 'political correctness' wird bereits im zweiten Kapitel geradezu ad absurdum geführt.
Um bei Nadia ein Kompliment über ihren Hund Ginger anzubringen, meint Ethan, daß Collies sowieso eine sehr intelligente Rasse sind. Darauf Nadia: 'Ginger ist ein Mischling. Genau wie ich.' Als Ethan dann wissen will, was für eine Mischung sie sei, antwortet Nadia: 'Halb jüdisch, halb protestantisch.' Darauf Ethan: 'Gute Mischung. Beim Mais sind die Kreuzungen auch die besten Sorten.'
Oder die positiv besetzte (körperbehinderte !) Lehrerin läßt verlauten, daß sich das Team 'aus einem Juden, einer Halbjüdin, einem WASP und einem Farbigen' zusammensetzt und denkt sich dabei, 'nicht Ausdrücke als solche, sondern die Art und Weise wie sie benutzt' würden, seien verletzend... Neben der sonderbaren Reihung zeugt jedoch insbesondere der Begriff 'Halbjüdin' bestenfalls von nicht entschuldbarer Ahnungslosigkeit. Sind die Lesegewohnheiten in den USA anders als hierzulande? Lag den Preisverleihern mit dem Original ein anderer Text vor? Übersetzungen sind billiger als Originaltexte zu verlegen - derart ungeprüft oder hingerotzt tragen sie dem bis dato angesehenen Beltz Verlag jedoch nicht nur keinen schnellen Gewinn sondern den Verlust seiner über die Jahrzehnte erworbenen Glaubwürdigkeit ein.