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Als Liedermacher mit Gitarre und Bandoneon füllt der einst zusammen
mit Freya Klier abgeschobene Stephan Krawczyk gut und gern die entsprechenden
Szenelokalitäten. Für seine und die durch ihn in unsere Sprache
übertragene Lyrik von anderen findet er mitreißende Töne,
die in ihrer expressiven Kraft an den frühen Wolf Biermann erinnern.
In DAS IRDISCHE KIND erzählt S.K. nun von seiner Kindheit und Jugend
in Weida.
Mit knapp 41 Jahren eine Autobiographie? Warum nicht! Manchmal
nur halbe Seiten lange Miniaturen knüpfen einen atmosphärisch
dichten Flickenteppich der sechziger und siebziger Jahre in der thüringschen
Provinz und vermeiden dabei den besserwisserischen Rückblick des jetzt
Erwachsenen. Etwa gleichaltrige Leser mit Westherkunft werden verblüffende
Parallelen zur eigenen Biographie entdecken. Die Überlieferung skurril
absurder und zuweilen auch sentimentaler Dialoge der kriegsüberlebenden,
älteren Verwandtschaft oder der beschränkte Horizont von Lehrpersonal
und Unteroffizieren hatten durchaus ihren westlichen Pendants. S.K. hält
nur in etwa eine chronologische Richtung ein und springt bei Bedarf hin
und her. Das Nicht-besser-wissen-wollen führte zum Verlust eines über
die Geschichten gespannten Erzählbogens, dennoch treiben seine Texte
einen voran. Die ihn bewegenden Themen kreisen allesamt um eine auf die
Kinder seinerzeit färbende Sprachlosigkeit, die lediglich in den Klängen
des heimischen Dialekts die vage Aussage von Geborgenheit fand, der man
eher früher als später zu entkommen hatte. Am Ende steht die
ambivalente Wehmut des Autoren, als er nach zwanzig Jahren seinen Geburtsort
kaum noch wiedererkennt.
Im Nachhinein irritierend ist dann aber doch die
kaum spürbare DDR-spezifische Enge, die so viele in die Flucht getrieben
hat. Vielleicht der Stoff für das nächste Buch?!
Interview und weitere Besprechungen zu Werken von Stephan Krawczyk siehe:
Textenetz: Stephan Krawczyk