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'Hänsel und Gretel' oder 'Rotkäppchen' zu besprechen, macht
keinen Sinn, sind doch diese und die anderen Märchen der Gebrüder
Grimm (noch) deutschsprachiges Kultur-und Allgemeingut.
Nach längerer Pause ist der Metta Kinau Verlag mit neuer Inhaberin
wieder im Geschäft. Seit nunmehr drei Jahren produziert dieser kleine
Verlag recht erfolgreich u.a. phantastische Alltagsgeschichten und moderne
Märchen, die vor allem durch die liebevoll gestaltete Aufmachung auf
sich aufmerksam machen. Die Inhaberin Bettina Plenz hat sich außerdem
die Aufgabe gestellt, die Tradition des Verlages zu pflegen und 'alte Bücher'
neu aufzulegen, die ihr von Inhalt und Gestaltung her noch heute reizvoll
erscheinen. Ihre Vorgänger verlegten 1947 zwölf der schönsten
Grimm'schen Märchen - das altertümliche, in Blei gesetzte Schriftbild
und die kunstvoll gearbeiteten Scherenschnitte machen aus der unveränderten
Neuauflage ein Zeitdokument und zugleich ein bibliophiles Kleinod. Barbara
Krokisius verstand es, das schwarze Papier vor weißem Hintergrund
so zu schneiden, daß nicht flache Schatten ahnen oder raten lassen,
was gemeint ist. Vielmehr arbeitete sie z.B. Blatt für Blatt eines
Rosendikichts um Dornröschen heraus und gab ihren Schnitten Raum und
Perspektive.
Bei aller Liebe zur Kunst ist es eben auch ein Genuß,
gekonntes Handwerk schauen zu können. Auch die scheinbar so sattsam
bekannten Märchen mal wieder im annährend originalen Sprachduktus
nachzulesen, hat seinen eigenen Reiz, ist keineswegs nur skurril und schützt
ein Märchen wie Aschenputtel vor der Verwechselung mit Walt Disneys
Cinderella.
Seltsam berührt eigentlich nur das damalige Nachwort,
das zwei Jahre nach dem Holocaust ein Wort wie 'völkisch' gebrauchen
konnte, wenn auch in einem ganz anderen Sinnzusammenhang. Alles in allem
ist dieses Buch aber für Liebhaber und Sammler des Gedruckten ein Muß.