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Es hatte ja schon immer etwas Befremdliches an sich, dass im Falle häuslicher Gewalt, die Opfer, nämlich in der Regel Frauen und Kinder, ihre Wohnung verlassen mussten, um dann in einem Frauenhaus Schutz zu finden.
Seit einigen Jahren wird aber nun u.a. auch in Baden-Württemberg ein anderer Ansatz modellhaft durchgesetzt, wonach dem Täter ein "Platzverweis" erteilt wird und er sich bis auf weiteres nicht mehr der gemeinsamen Wohnung auch nur nähern darf.
In "Gewalt in der Familie" haben die mit dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht verbundenen Psychologen Helmut Kury und Joachim Obergfell-Fuchs ein vielschichtiges Kompendium herausgegeben, in dem über 20 Autoren und Autorinnen aus Deutschland, Luxemburg und den USA Beiträge zu dieser Thematik aus praktischer und theoretischer Sicht einbringen. Forschungsgruppen diverser Universitäten kommen genauso zu Wort wie Kriminologen, Sozialarbeiter und Krankenschwestern.
In Form und Sprachregelung eher soziologisch metabetrachtend ausgerichtet, erläutert das Werk vor allem den strafrechtlichen Status quo sowie die Vorbilder (insbesondere aus Österreich und den USA) des neuen Ansatzes. Dabei werden aber durchaus auch darüber hinaus gehende Problemstellungen diskutiert, wie z.B. die Forderung nach einer sich eines polizeilichen Platzverweises anschließenden Therapie für die gesamte von häuslicher Gewalt betroffene Familie. Ebenso wird auch nicht übersehen, dass für niederschwelligere Gewalttaten durchaus auch Frauen als Täter und Männer als Opfer infragekommen - allerdings nach wie vor nicht in den Größenordnungen wie umgekehrt.
Dieser äußerst instruktive Band richtet sich in erster Linie an Fachleute der mit den Ausführungsvorschriften dieser Thematik befassten Disziplinen, könnte und sollte deshalb gerade auch von den zuständigen Politikern und Behörden zur Kenntnis genommen werden. Einer Nachauflage wären jedoch noch ein für den Textkörper etwas lesefreundlichere Schriftbildgestaltung zu wünschen.