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DAS NACHTSCHATTENSPIEL ist ein Muß für alle Märchenliebhaber,
die auch nichts gegen einen Schuß Esoterik und eine gute Portion
(Selbst-)Ironie einzuwenden haben. Konrad Lorenz - weder verwandt noch
verschwägert mit dem berühmten Verhaltensforscher - ist es gelungen,
eine verschmitzte Epos-Collage zu entwickeln, die ihren Schnittpunkt in
einem Glasperlenspiel aus Tiefenpsychologie und altnordischen Sagensymbolen
hat.
Die Frage nach der Wahrheit wird facettenreich und überzeugend
in dem Dialog eines Baumriesen, eines Fliegenpilzes und später auch
noch mit einer Schmetterlingspuppe erörtert. Allein die Sprachregelung
zwischen diesen für Phantasielose doch sprachunbegabten Erscheinungsformen
des Lebens ist ein Kunststück für sich. K.L., der sich offenbar
nicht nur auf dem Gebiet mißbrauchter Runensymbole und psychologischer
Phänomene sehr sachkundig gemacht hat, läßt Pflanzen und
Tiere in eine osmotischen Verbindung geraten, in der es steigende oder
abfallende Mitteilungsdruckzustände gibt, gepfeffert von Animositäten
bishin zu handfesten Vorurteilen, die wiederum von scheinbar unmöglichen
Hörigkeitsverhältnissen zwischen Pilz und Fliege gekrönt
werden. Die Wahrheitssuche wird zur Reise in die Vergangenheit und den
Inkarnationen eines früheren Seins: Der streitsüchtige Fliegenpilz
Rufulus muß sich z.B. mit dem ersten aller Fliegenpilze Equestre
Spiss auseinandersetzen, der wiederum die Wiedergeburt eines der mittlerweile
ausgestorbenen Herrentiere namens Roter Junker ist.
Aber gerade die Leser und Leserinnen, die nicht unbedingt die naheliegenden
Determinanten Freud'scher Prägung (Über-Ich, Es, Ich) in einem
Märchen suchen, werden sich von den starken, weil konkreten Bildern
einfangen und auf die Spur bringen lassen. Immerhin geht es bei dieser
Wahrheitsuche auch um nichts weniger als um das Durchbrechen ständig
sich wiederholender Kreisläufe.
Das Zugrundelegen nordischer resp. germanischer Sagen, wie z.B. der
Edda, ist für Konrad Lorenz übrigens das Gegenteil von einer
Renaissance nicht-"bewältigter", jüngerer Vergangenheit.
Vielmehr weist die geheime Runenlehre, die von den Nazis nur sehr vordergründig
für die damalige Blut-und-Boden-Propaganda mißbraucht wurde,
für ihn bis in das Bronzezeitalter unserer Umgegend. So spannend und
toleranzfördernd die Auseinandersetzung mit fernöstlichen Lehren
sein kann, sollten es die daran Interessierten doch auch einmal mit den
Analogien und Sprachbildern eigener Provenienz versuchen. Neben der alles
andere als elegischen Sprache von K.L. verführt auch die für
den Metta Kinau Verlag schon sprichwörtliche gute Ausstattung dieses
Buches.