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Brasilien auf der Frankfurter Buchmesse. Das diesjährige Schwerpunktthema
sollte auch den Blick auf die Autorin Lya Luft lenken, deren Werk z.Zt
nicht nur in Europa sondern auch in den USA "entdeckt" wird. 1938 in Santa
Cruz geboren, einer südbrasilianischen Kleinstadt mit vorwiegend deutschstämmigen
Bewohnern, veröffentlichte sie 1980 den Kurzroman DIE FRAU AUF DER
KLIPPE.
Aneliese, die gerade ihr zweijähriges Kind und die Ehe mit Tiago
zu begraben hatte, zieht sich für eine Woche in ein altes Chalet zurück,
um ihr vergangenes Leben zu überdenken. Sie gehört einer Familie
an, deren Frauen nun schon in der dritten Generation zu den "Verliererinnen"
zählen: Die geistig verwirrte Großmutter, die drei Kinder, darunter
ein zwergenwüchsiges gebar; die Mutter, für die nur noch der
äußere Schein zählte und die schließlich schon in
jungen Jahren zusammen mit ihrem Mann tödlich verunglückte; die
bigotte Tante, die sich selbstbetrügende Schwester, ... sie selbst.
In Spiralen voller Melancholie steuert diese Geschichte ihrer mehrdeutigen
Erlösung entgegen. Immer wieder greift die Autorin einen liegengelassenen
Erzählfaden auf, um einen weiteren Mosaikstein einzufügen. Dabei
haben klinische Befunde genauso viel Realität wie die regelmäßig
erscheinenden Gespenster aus der Vergangenheit. Hervorragend von Karin
von Schweder-Schreiner übersetzt, vermittelt dieses Buch eine Facette
brasilianischen Erlebens, die nicht von lautem Samba-Getöse übertönt
wird. Dabei darf die oben erwähnte Melancholie aber nicht mit der
Zumutung qualvoller Elegien verwechselt werden. Dem steht auch die europäisch
anmutende Kürze und Prägnanz dieses Textes entgegen. Wer das
(Lese-)Abenteuer sucht, sollte sich diesem Buch also stellen.