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T.J. Lustig

Die Verschwörung oder: Mein Leben als Pferd

Roman. Klett-Cotta, Stuttgart 1993, 557 S., ISBN: 3-608-95846-0, >>> Amazon
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London 1919. In der Einsamkeit seines düsteren Hauses läßt Jack Spellman sein Leben Revue passieren. Aus der Addition überstandener Intrigen, magisch-phantastischer Ereignisse, exotischer Abenteuer, wissenschaftlicher Experimente und morbider sexueller Praktiken versucht er eine Summe zu ziehen, die es ihm ermöglichen soll, sein Schicksal endlich zu begreifen. Tatsächlich erweist sich seine Karriere vom fast verhungernden Waisenkind über seine 10-jährige Arbeit in einem Wanderzirkus als Hinterteil eines Menschenpferdes zur erlauchten Mitgliedschaft in der mysteriösen Handelsgesellschaft SIRISO als durchaus nicht zufällig. Das gilt auch für den raffiniert eingefädelten Mordanschlag im fernen Alexandria, den er nur mit viel Glück überlebt hat.
Nach LEMPRIERES WÖRTERBUCH, das letztes Jahr wegen seiner Übersetzung in die Diskussion geraten war, fällt in diesem Bücherherbst wieder ein dickes Blätterkonvolut englischer Provinienz auf den Büchertisch. Wieder ist es das Erstlingswerk eines unter 30-jährigen, wieder lebt es von kenntnisreichen Anspielungen auf vergangene Kulturepochen. Allerdings wird DIE VERSCHWÖRUNG oder MEIN LEBEN ALS PFERD von T.J.Lustig kaum einer aus der Hand legen, bevor er nicht auch die letzte Seite verschlungen hat. Inwieweit dieser Roman den viktorianischen Stil eines Wilkie Collins wiederaufleben lassen oder "nur" parodieren will, ist insofern nebensächlich, als T.J.Lustig auch zur Gänze die Qualitäten seines literarischen Vorfahren einbringt: Spannung, Spannung und nochmals Spannung. Die Exkurse seines Protagonisten Jack in die Welt damaliger Erkenntnisse, u.a. aus der sich neu entwickelnden Photographie, sind alle für den Fortgang der fesselnden Erzählung bedeutsam und von daher wohldosiert und nie langweilig. Nur anfangs gingen dem Autor oder/und dem Übersetzer H.J.Schütz manchmal die metaphernüberladenen Gäule durch, wenn es z.B. heißt: "Als ich mich umschaute, sah ich mich von einem raschelnden Blätterteppich umkreist und überlistet." Davon und von dem etwas bemüht als "kratzende Feder" angesprochenen Sekretär abgesehen, leistet die Konstruktion dieses Romanes Erstaunliches: In das "abwechslungsreiche" Schicksal Jack Spellmans verwoben erzählt er vom amoralischen und anscheinend unaufhaltsamen Kreislauf ökonomischer Gesetzmäßigkeiten, die einst von Machiavelli diktiert wurden. Ohne "Betroffenheit" und auch ohne Betulichkeit - eine Renaissance bester Eigenschaften früherer Erzählkunst?

Buechernachlese © Ulrich Karger


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