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London 1919. In der Einsamkeit seines düsteren Hauses läßt
Jack Spellman sein Leben Revue passieren. Aus der Addition überstandener
Intrigen, magisch-phantastischer Ereignisse, exotischer Abenteuer, wissenschaftlicher
Experimente und morbider sexueller Praktiken versucht er eine Summe zu
ziehen, die es ihm ermöglichen soll, sein Schicksal endlich zu begreifen.
Tatsächlich erweist sich seine Karriere vom fast verhungernden Waisenkind
über seine 10-jährige Arbeit in einem Wanderzirkus als Hinterteil
eines Menschenpferdes zur erlauchten Mitgliedschaft in der mysteriösen
Handelsgesellschaft SIRISO als durchaus nicht zufällig. Das gilt auch
für den raffiniert eingefädelten Mordanschlag im fernen Alexandria,
den er nur mit viel Glück überlebt hat.
Nach LEMPRIERES WÖRTERBUCH, das letztes Jahr wegen seiner Übersetzung
in die Diskussion geraten war, fällt in diesem Bücherherbst wieder
ein dickes Blätterkonvolut englischer Provinienz auf den Büchertisch.
Wieder ist es das Erstlingswerk eines unter 30-jährigen, wieder lebt
es von kenntnisreichen Anspielungen auf vergangene Kulturepochen. Allerdings
wird DIE VERSCHWÖRUNG oder MEIN LEBEN ALS PFERD von T.J.Lustig kaum
einer aus der Hand legen, bevor er nicht auch die letzte Seite verschlungen
hat. Inwieweit dieser Roman den viktorianischen Stil eines Wilkie Collins
wiederaufleben lassen oder "nur" parodieren will, ist insofern nebensächlich,
als T.J.Lustig auch zur Gänze die Qualitäten seines literarischen
Vorfahren einbringt: Spannung, Spannung und nochmals Spannung. Die Exkurse
seines Protagonisten Jack in die Welt damaliger Erkenntnisse, u.a. aus
der sich neu entwickelnden Photographie, sind alle für den Fortgang
der fesselnden Erzählung bedeutsam und von daher wohldosiert und nie
langweilig. Nur anfangs gingen dem Autor oder/und dem Übersetzer H.J.Schütz
manchmal die metaphernüberladenen Gäule durch, wenn es z.B. heißt:
"Als ich mich umschaute, sah ich mich von einem raschelnden Blätterteppich
umkreist und überlistet." Davon und von dem etwas bemüht
als "kratzende Feder" angesprochenen Sekretär abgesehen, leistet
die Konstruktion dieses Romanes Erstaunliches: In das "abwechslungsreiche"
Schicksal Jack Spellmans verwoben erzählt er vom amoralischen und
anscheinend unaufhaltsamen Kreislauf ökonomischer Gesetzmäßigkeiten,
die einst von Machiavelli diktiert wurden. Ohne "Betroffenheit" und auch
ohne Betulichkeit - eine Renaissance bester Eigenschaften früherer
Erzählkunst?