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Büchernachlese-Extra: Jesus Christus (Romane, Sachbücher)

Norman Mailer

Das Jesus-Evangelium

Roman. C. Bertelsmann Verlag, München 1998, 224 S., ISBN: 3-570-00226-8, >>> Amazon
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Der mittlerweile 75-jährige US-amerikanische Schriftsteller Norman Mailer hat vor allem mit seinem Antikriegsroman "Die Nackten und die Toten"(1948) weltweites Ansehen erlangt. Als Vertreter der 'Faction-Prosa', die Dokumentarisches mit Fiktionalem zu verbinden suchte, bewies er auch später politisches Engagement u.a. gegen den Vietnamkrieg und verfaßte zuletzt Biographien über Marylin Monroe und Picasso.
Sein neuestes Buch bleibt diesem Prosastil in gewisser Hinsicht verpflichtet, dennoch dürfte es manchem zum überraschend donnernden Paukenschlag werden. Denn diesmal entwickelt Mailer seine Fiktion nicht an Personen und Geschehnissen der jüngeren Zeitgeschichte, sondern am Neuen Testament. Und weil das für sich kaum mehr besonders originell wäre, verfaßt er nicht etwa das Evangelium eines fünften, apokryphen Zeugen, sondern gleich "DAS JESUS-EVANGELIUM". Da Mailer für die offenbar mit dem Holzhammer gestrickte Übersetzung des vieldeutigeren Orginaltitels "The Gospel according to the Son" vermutlich nicht haftbar zu machen ist, sei hierüber der Mantel der Barmherzigkeit gelegt.
Tatsächlich ist es Jesus, der hier in der Ich-Form den "Übertreibungen" der Evangelisten entgegentreten und sich in seinen menschlichen Ängsten und Schwächen vorstellen will. Insbesondere Matthäus, Lukas und Johannes "legten mir Worte in den Mund, die ich nie ausgesprochen habe, und schilderten mich als sanftmütig, während ich fahl vor Zorn war." So nutzt Mailer zwar die Geburtslegenden von Matthäus und Lukas hält sich aber ansonsten an Markus, dessen Evangelium er wohl noch als das "authentischste" empfand. Und dann erzählt Jesus seine Geschichte bis zur Auferstehung und kommentiert darüber hinaus, was danach geschah.
Bewundernswert ist die Chuzpe, mit der Mailer Jesu einfach drauflosberichten läßt. Das Wie, Wo und Warum-gerade-erst-jetzt spart der Autor einfach aus. Einiges, wie z.B. die Konfliktentfaltung zwischen Jesu und seiner Mutter Maria hat er psychologisch durchaus überzeugend ausgemalt, und auch wie die Beziehung zwischen Jesus und Gott vorgestellt wird, ist zumindest eines Gedankens wert - aber abgesehen von der Ich-Form ist das Ganze natürlich "nur" ein Mailer-Bekenntnis. Seine Sicht der Dinge ist dabei allemal respektabel, jedoch gewiß nicht allgemeingültig oder auch nur auf dem Stand neuerer kritisch-theologischer Erörterung.
Dem Faden, das damals wie heute der 'Mammon' oft den Vorzug vor dem Willen des einen Gottes gewinnt, ist kaum zu widersprechen, die Mailer'sche Dualität von Teufel und Gott dürfte aber von vielen aufgeklärten Gläubigen bestritten werden - insbesondere wenn es an einer Stelle heißt: "Dennoch erwies sich der Herr als ebenso schlau wie Satan ..."
Neben der verfälschenden Umschiffung der Naherwartung des Gottesreiches lassen nicht zuletzt das kaum kommentierte patriachalistische Frauenbild und insbesondere der latente Antijudaismus das Buch zu einem Bärendienst für die Auseinandersetzung mit dem Christentum werden. (So "bezeugt" Jesus dann doch am Ende wieder Matthäus, noch dazu mit Mt. 27,25, wonach die Juden die künftigen Progrome ja selbst zu verantworten haben.) Daß Jesus "zur rechten Hand Gottes" nicht den Mann kennt, der das Johannes-Evangelium verfaßte, ansonsten sich aber ganz gut in der Weltgeschichte auskennt, ist dann nur noch ein kleines literarisches Mißgeschick.
Fazit: So sehr man dem Christentum jede konstruktiv-kritische Anregung wünscht, zielt dieses Buch zuoft daneben, als daß man es guten Herzens gar zur Erstbegegnung mit Jesus weiterempfehlen könnte. Bleibt nur zu hoffen, daß immerhin das Skandalon der unvermuteten Verbindung dieses Weltautoren mit dem Neuen Testament unbeabsichtigt immerhin manch neues Interesse am Original auslöst.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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