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"Sie singt immer den Refrain mit, preßt Nasallaute aus der
Nase und singt 'bon dong'. Ich ermutige sie: 'Mensch Julia, Du kannst ja
richtig französisch' 'Auja, Peter!' lacht Julia, und ihre Falten straffen
sich. 'Det ha'ick ooch noch nich jewußt, det ick so jut französisch
kann. Da können wa ja bald 'ne Platte zusammen machen."
Der Berliner Peter Mannsdorf hat mit DAS VERRÜCKTE WOHNEN einen
"Bericht aus dem Innern eines Illusionspalastes" verfaßt.
Treffende Sprachbilder und ein wacher Sinn für Situationskomik bezeugen
die Balanceakte in einem Übergangswohnheim für psychisch Kranke,
nachdem er selbst zu seinen eigenen psychotischen Erlebniswelten die nötige
Distanz gefunden hatte.
Wieviele AutorInnen bemühten in letzter Zeit die "Real-Satire"
und wurden doch immer wieder von der Wirklichkeit überholt - Peter
Mannsdorfs Hintergrund erlaubt nun eine völlig neue Brechung dieser
Wirklichkeit.
"Die ganze Stadt hat eine Psychose. Eine Freudenpsychose. Ich falle
in diesen euphorischen Mengen mit meiner leichten Psychose nicht auf. Die
Realität hat sich meinen utopischen Träumen ein Stück weit
angepaßt. (..) Mein Therapeut sagt mir später, daß an
dem Tag nach der Maueröffnung kein einziger Berliner in eine psychiatrische
Klinik eingewiesen worden ist."
Der Autor zeigt Irr-Witz von einer bis dahin unbekannten Warte aus:
Einer feinfühligen, den Anderen im Anderssein annehmenden Warte. Das
Lachen hält länger vor und mündet schließlich in Nachdenklichkeit,
einem Phänomen, dem die Kabarettisten mit ihren Kohlwitzen nur noch
selten Rechnung tragen.
Der neubegründete belletristische Ableger des Psychiatrie-Verlages
EDITION BALANCE hat mit Peter Mannsdorf jedenfalls einen überzeugenden
Anfang gemacht. Weitersagen!