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Anthony Burgess ließ in seinem letzten Roman (Der Teufelspoet) Christopher Marlowe als Ich-Erzähler auftreten und sein schillerndes Doppelleben als genial anarchischer Dichter und Spion der Krone im Priesterseminar zu Reims schildern. Wer daran Vergnügen fand, wird vielleicht auch gern einmal die darin zitierten dramatischen Werke nachlesen wollen. Denn Christopher Marlowe ist keine fiktive Figur, sondern war ein Zeitgenosse William Shakespeares.
Wolfgang Schlüter hat nun in einem hervorragend ausgestatteten, jedoch auch kostenintensiven Buch sämtliche sechs bzw. sieben Dramen Marlowes herausgegeben und selbst ins Deutsche übertragen. Ihm ging es dabei weniger um eine bühnentaugliche, denn um eine lesbare Fassung - lesbar für solche, die auch nicht vor 'archaisierender Orthographie' zurückschrecken und im 'h' des Thieres den Odem Gottes nachspüren können, wie Schlüter in seinem Nachwort ausführt.
Die Dramen selbst erlauben in ihrer chronologischen Reihung ein Blick auf das 'work in progress' eines Dichters, der mit 'formvollendet klangvollen Zynismus' inklusive lautstarker Deklamationen und Schurkenränke den Anfang setzt, um im letzten Werk (Edward II.) für den Mord an einem König eine 'sanft einlullende Tonlage' gleich de Sade zu finden. Gewiß nichts für zarte Gemüter und keine Lektüre für nebenbei. Selbst das Nachwort Schlüters zielt in seiner Terminologie auf Literaturwissenschaftler und Studenten der Anglistik und Germanistik. Doch wer die Muße hat, sich außerhalb des 'Mainstreams' zu bewegen, sollte sich daran ruhig einmal versuchen.