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DAS ROTE BUCH DER LIEBE stellt in hervorragend gestaltetem Ambiente
Stilübungen eines altvertrauten Sujets vor.
Ähnlich den ebenfalls von Metta-Kinau verlegten "kleinen Märchenbüchern"(Gesamtauflage ca. 150000) sind die Texte der 13 AutorInnen, unter
ihnen Bernd Lassahn und Haege Follegg Pedersen, von mehreren GraphikerInnen
mit roter Tinte abgeschrieben und illustriert worden. Der vierfarbige und
geprägte Umschlag von S.Max macht das Buch schließlich zu einem
bibliophilen Kleinod. Keiner, der noch einen Rest jener romantischen Ader
in sich schlagen fühlt, die die Poesie nicht einfach nur mit "Alles
Kitsch" abtut, wird an dieser Liebesgeschichtensammlung vorbeigehen,
ohne wenigstens einen Blick hineingeworfen zu haben.
Die Liebe wird in jeder Geschichte anders aufgeschlüsselt, manchmal
ein bißchen betulich, zumeist aber mit einem ironischen Augenzwinkern
und z.T. sehr gekonnt. Mit BILBAO IN GALIZIEN z.B. gelingt es Bernd v.
Mühlen die zwei Seiten eines Vexierbildes vorzustellen, wenn er einem
verliebten Pärchen am Sandstrand der "glänzenden Haut des
Wasser" wenig später die Diagnose "Ölschleier" entgegenhält.
Er spielt mit den Sichtweisen von pragmatischen Realismus und dem "Millionen-seid-umschlungen"-Gefühl,
ohne dabei vom schmalen Grat abzurutschen und in Plattitüden der Belehrung
zu verfallen. Von ebenso guter Qualität der Text von Ingetraud Rienau-Weidner,
die hinter die Masken eines Schauspielerpaares auf der Bühne blickt,
und mit OTHELLO sehr eindringlich den Verlust des "richtigen" Zeitpunktes
vor Augen zu führen vermag.
Aber auch die direkte Auseinandersetzung im Bett wird nicht gescheut,
wenn es wie bei Gottfried Kohn in DER FREVEL DER WAHRHEIT um ausgesprochene
und unausgesprochene Erwartungshaltungen an den anderen geht.
Sprachlich und inhaltlich setzt der Beitrag der Norwegerin Haege Follegg
Pedersen (übersetzt von Gabriele Haefs) einen weiteren Höhepunkt,
der in MARYLIN MONROE die Amerika-Phantasien eines Jungen nachzeichnet
und sie seiner Liebe zu einem kleinen Mädchen gegenüberstellt.
Mit Verliebheit geschlagene Erwachsene dürften sich in dieser Geschichte
sehr gut repräsentiert sehen, vereint sie doch kindliche Weisheit
und kindlichen Aberwitz zu einem zärtlich respektvollem Ganzen, das
die von Außenstehenden belächelte Situationskomik genau richtig
dosiert.
Wenn auch kein Kriterium für hohe Kunst, werden es sicher viele
zu schätzen wissen, wenn sie sich mal wieder mit einem Buch zurückziehen
können, daß das Prädikat "liebevoll" wirklich füllt.