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Roger Melis stellt Portraits von SchriftstellerInnen aus Berlin vor,
die er zwischen 1962 und 1991 mit seiner Kamera "eingefangen" hat.
Der Buchtitel BERLIN - BERLIN verweist auf die geopolitischen Veränderungen
dieser Stadt, die spätestens mit dem Mauerbau zwei Eigenleben führen
mußte und die sich jetzt vielleicht noch immer zuwenig in den Vergleichen
von "vorher" und "nachher" gefällt. Da Roger Melis bis
zuletzt DDR-Bürger war, sind auf den insgesamt 60 Abbildungen zumeist
Ostberliner SchriftstellerInnen zu erkennen: Sarah Kirsch 1968 und 1977,
Heiner Müller 1968 und 1990, Hermann Kant 1972 und 1977 aber auch
Günter Bruno Fuchs und Günter Grass aus Westberlin.
"Enthüllt das photographische Porträt den Charakter, das
Wesen, den Beruf eines Menschen, oder hilft es gar umgekehrt, die aufgesetzte
Maske zu verbessern, der 'Verkleidung' eine weitere hinzuzufügen?",
fragt Klaus Völker gleich zu Beginn seines den Bildern vorangestellten
Essays. Diese Frage muß jeder für sich beantworten. Die sensibel
unspektakulären Bilder sind sehr miliieugerecht, lassen genügend
Raum für eigene Interpretationen. Aber nicht zuletzt dank Völkers
ausführlichem Essay wird auch der im Westen sozialisierte Betrachter
das Buch nicht so schnell aus der Hand legen. Es schildert sehr instruktiv
den Werdegang des noch vor dem Mauerbau geplanten Prototypen dieses Bandes,
und ermöglicht so Querverbindungen zwischen den einzeln oder auch
in Gruppen dargestellten. Völker war es auch, der den Sohn Peter Huchels
dazu anhielt, Berliner SchriftstellerInnen abzulichten.
Den experimentellen Kunstphotographen gilt Roger Melis als "Traditionalist",
aber auch ohne irgendwelche Tricks und Gags eingesetzt zu haben, ist ihm
eine unverwechselbare Photohandschrift zu bescheinigen.
In BERLIN - BERLIN sind Bilder von Menschen zu sehen. Roger Melis eröffnet
mit ihnen die bemerkenswerte Teilansicht auf das Innenleben einer Stadt,
deren Narben nur langsam verheilen.