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1917 kam es für den 28-jährigen Havard-Absolventen Joe Gould zu der schicksalhaften Lektüre eines Buches. Wie William Carleton wollte er nun eine 'Erzählte Geschichte des Lebens' verfassen. Alles Alltägliche von alltäglichen Leuten sollte darin aufgenommen werden. Und damit ihn nichts von dieser Berufung abhalten konnte, kündigte er als Erstes seinen Job als Hilfspolizeireporter und lebte seit dem auf der Straße. An allen möglichen und unmöglichen Orten sah man ihn dann als integralen Bestandteil von Greenwich Village Aufsatzhefte voll kritzeln. Immer wieder fand er interessierte Gönner, die sein Lebenswerk für längere Zeit regelmäßig mit selbstbewußt bis unverschämt eingeforderten kleinen 'Spenden' unterstützten. Doch als Joe Gould schließlich mit 68 Jahren starb, waren vom über die Stadt verteilten Hefteberg geheimnisvollerweise nur 5 Texte aufzufinden - die dafür allerdings gleich in mehreren Variationen ...
Der Journalist Joseph Mitchell hat über Joe Gould zwei Portraits im New Yorker verfaßt. Eines noch zu dessen Lebzeiten, das andere 22 Jahre später, wo er auf besagtes Geheimnis der 'Erzählten Geschichte' eingeht. Beides zusammen ergibt ein fesselnd vielschichtiges Stück Literatur über das seltsame Gebahren des Portraitierten, über dessen radikale Vorstellungen von Literatur im Besonderen aber auch im Allgemeinen, und nicht zuletzt über das sich Anderen Zumuten und die Zumutung solcher Existenzen im New York der 40er und 50er Jahre. Mitchell stimmt dazu einen Ton an, der das tragikomisch Groteske mit dem Anrührenden zu vereinen wußte und damit bei aller Rauheit des Metropolenbewohners ein Lied auf die unverbrüchliche Würde des Menschen zu singen vermochte.
Ein Buch für alle, insbesondere auch für all jene die schreiben (wollen).