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Èmile Vorta, seines Zeichens Neuropsychologe und Professor Emeritus am Institut für Experimentelle Psychologie in Quebec, hat einen Ghostwriter beauftragt, aus seinen Dokumentationen sowie den Tagebüchern seiner Studienobjekte ein geschlossenes Ganzes zu verfassen, das seine am Ende seines Lebens angezweifelten Verdienste ins rechte Licht rücken, in der Romanform aber auch vor unwillkommenen juristischen Komplikationen schützen soll.
Erzählt wird auf diese Weise von Noel, einem Synästhetiker, der über ein photographisches Gedächtnis verfügt und nichts vergessen kann und von Stella, Noels Mutter, einer Geschichtslehrerin, die unter den ersten Symptomen der Alzheimerkrankheit leidet. Noels Vater kam schon früher unter obskuren Umständen ums Leben und war ein sehr erfindungsreicher Pharmakologe.
In dem Bemühen, seiner Mutter zu helfen, nutzt Noel nicht nur die Aufzeichnungen seines Vaters, sondern schart auch seine Freunde um sich, als da wären Norval, ein zynischer und gleichwohl hedonistischer Verächter jeglicher Lebensform, JJ Yelle, ein kreativer, einst unglücklich verliebter Anarcho, der mit seinem Frohsinn insbesondere Norval auf die Palme bringt und Samira, eine Studentin, in die Noel sich verliebt, ihr seine Gefühle aber lange Zeit nicht offenbaren kann - auch weil Norval bereits Interesse an ihr gezeigt hat ...
Der Kanadier Jeffrey Moore versteht es, in "Die Gedächtniskünstler" höchst verwickelte und mehrbödige Beziehungsgeschichten mit überzeugenden Charakteren aufzubauen und diese unter dem Vorzeichen eines durchaus anspruchsvollen Überbaus agieren zu lassen. Neben der Neurowissenschaft wird u.a. auch die Literatur als faszinierender Leitstern seiner Protagonisten vorgestellt. Ein Labyrinth aus Sein und Schein, Fiktion und realen Erkenntnissen führt am Ende zu nicht weniger als der Entdeckung eines "tatsächlich" wirksamen Alzheimer-Gegenmittels ...
So enthalten "Die Gedächtniskünstler" alle Ingredienzien eines guten, nein, eines ausgezeichneten und von Klaus Modick hervorragend übersetzten Romans:
Voller Überraschungen, unterhaltsam, anrührend und fesselnd bis zur letzten Zeile, lässt der Autor mit Ironie und Scharfsinn die vielfältigen Implikationen des Erinnerns und Vergessens, des sich Isolierens und des Miteinanders ungewöhnlicher Menschen aufeinanderprallen - um letztlich sehr unsentimental das Hohe Lied der Liebe als Antrieb aller Menschlichkeit zu singen.