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In "Sieben Reisen in den Abgrund" legt Joyce Carol Oates sieben Kurzgeschichten vor, deren kürzeste knapp 20, die längste gut 135 Seiten umfassen. Im Original erstmals veröffentlicht wurden sie zwischen 1996 und 2010.
Die mehrfach ausgezeichnete und auf vielen unterschiedlichen Feldern tätige Autorin (Jahrgang 1938) versammelt in diesem Band Geschichten, die offenbar mit sehr fundierten Beobachtungen und Kenntnissen die Abgründe menschlicher Psyche "erhellen" und sie gleich antiken Tragödien mit beinharter Logik durchdeklinieren. Auch Dantes Sinnspruch über dem Eingang zur Hölle "Lasst alle Hoffnung fahren …" könnte hier Pate gestanden haben, denn für Optimismus geben die Geschichten wahrlich keinen Anlass.
Doch einmal mit dem Lesen begonnen, kann man sich ihrem Sog nur schwer entziehen. Und das liegt an dem Ideenreichtum, noch mehr aber an der Sprachfertigkeit dieser wohl zu Recht als eine der bedeutendsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart apostrophierten Schriftstellerin. Hier gilt es auch der Übersetzerin Silvia Visintini Respekt zu zollen, die gleich zu Anfang in der ersten Geschichte "Die Maisjungfer" den punkt- und kommalosen Sound einer jugendlichen Soziopathin eindrucksvoll wiederzugeben versteht. Und es ist eben nicht einfach das Böse, das sich hier durchsetzt - weit erschreckender ist die kindliche Unschuld, die von Erwachsenen nicht angemessen beachtet wurde und dann schon bald oder auch sehr viel später schreckliche Folgen heraufbeschwört.
Gewiss keine Wohlfühlliteratur, aber Literatur, die uns allen einen Spiegel vorhält und dabei Mechanismen verdeutlicht, die eigentlich vermeidbar wären.
Also keine Angst, gelesen ist der Schrecken weit erträglicher als erlebt. Und wer gute Sprache zu schätzen weiß, wird dieses Buch sogar zu genießen verstehen.