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Anfang der 60er setzt sich ein 17-jährige in den Zug von Istanbul
nach Berlin. Sie hat einen Einjahresvertrag und ist mit vielen anderen
Frauen in einem Wohnheim, sprich 'Wonaym' untergebracht. Nach diesem Jahr
lernt sie deutsch, vermittelt dann bei Siemens als Dolmetscherin zwischen
Arbeitern und Werksleitung, um zwischendurch in Paris endlich vom "Diamanten"
ihrer Jungfräulichkeit befreit zu werden. Die Ich-Erzählerin
erlebt noch die ersten Höhepunkte der Studentenbewegung in Berlin,
um alsbald entsprechend "politisiert" in die Türkei zurückzukehren.
Der zweite Teil setzt im Jahre 1967 an. Die mittlerweile 23-jährige
Frau wird auf der Schauspielschule von Istanbul aufgenommen und erlebt
den Spagat zwischen Bohèmien und politischen Bewußtseins inmitten
traditioneller Verengung. Doch nach und nach wird die Kommunistenhatz immer
offensiver und brutaler. Es bricht die Zeit der Militärdiktatur samt
Folter und Hinrichtungen an. Ende 1975 zieht es die Erzählerin wieder
nach Berlin ...
DIE BRÜCKE VOM GOLDENEN HORN ist das neueste Werk der Schauspielerin,
Regisseurin und Autorin Emine Sevgi Özdamar. Es ist der nachlesbare
Beweis, daß Autobiographien durchaus "literarisch" sein und
neue Maßstäbe setzen können. Besticht im Berlin-Teil der
besondere Blickwinkel aus dem "Wonaym" auf die Stadt jener Jahre,
so erfährt er im zweiten Teil noch einmal eine Volte durch die oberflächliche
Ähnlichkeit der durch Kontinente geteilten Stadt Istanbul. Der Autorin
ist eine hinreißende Symbiose zwischen deutscher Sprache und türkischen
Metaphern gelungen. Sie ermöglichte ihr eine geradezu traumwandlerische
Genauigkeit in der Schilderung gefühlsbeladener Innenwelten, ohne
je ins Sentimentale abzugleiten. Regelrechte Wort-Autopsien verschaffen
einem über die Herkunftsunterschiede hinweg neue Klarheiten von der
damaligen Zeit. Das geht natürlich nicht ohne Begabung zur Selbstironie.
So heißt es z.B. von der Mutter zum Thema Überfluß: "Wenn
wir verhungern, gibt es noch ein paar Verhungerte mehr. Wenn du nicht willst,
iß nicht." Und darauf folgt: "Ich aß, aber mit bösen Blicken."
Sprachlich ein Genuß ist dieses Buch zugleich ein von der ersten
bis zur letzten Seite fesselndes Zeitzeugnis, das gerade angesichts der
halbherzig medienwirksam gewordenen "Kurdenproblematik" als Hintergrundinformation
zu den Verhältnissen in der Türkei genutzt werden kann - und
die Apo-Demonstranten in Deutschland wie harmlose Wandervögel wirken
läßt.