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Nur fünf Kinder einer neunköpfigen Notgemeinschaft hatten
das Flüchtlingslager erreicht. Die anderen waren auf dem langen Weg
dorthin an Entkräftung gestorben. Vier dieser Kinder sind Geschwister
und sollen auf zwei Onkel und eine Tante verteilt werden. Aber es ist das
fünfte, nur entfernt mit ihnen verwandte Kind Thomas, das schließlich
von dem reichen Onkel Rudolf adoptiert wird. Das verzeihen ihm die anderen
vier ihr Leben lang nicht. Umgekehrt sind diese vier in den Augen von Thomas
schuld an dem Hungertod seines kleinen Bruders Karli. Fünfzig Jahre
später hinterläßt Herr Rudolf jedoch eine Testament, wonach
Thomas nur dann neben seiner Tochter zum Universalerben wird, wenn er die
Geschwister für eine Nacht gastlich aufnimmt und sie zur Teilnahme
an den Beerdigungsfeierlichkeiten überreden kann. Obwohl mit dieser
Klausel auch die Geschwister jeweils eine halbe Million erben würden,
scheint das ganze Vermögen alsbald einer Stiftung zugutezukommen ...
Dieser sogar auf einen authentischen Fall beruhende Plot steckt einen Rahmen
ab, in dem sich Leonie Ossowski auf weiten Strecken als mitreißende
Fabulierkünstlerin beweist. Da spiegelt sie das Leid dieser Kriegskindergeneration
in gelungenen Bildern und vor Panoramen, die in ihrer Bandbreite zärtlich
Sentimentales und Groteskes genauso einschließen wie haarsträubende
Brutalität. Aber auch wenn man den Roman wegen seines Metaphernreichtums
nicht ungern bis zu letzten Seite liest - für ein modernes Märchen
ist er zu umfangreich, für ein wirkliches Psychogramm dieser fünf
Lebenswege ist er zu schmal und letztlich von einer hölzernen, nicht
immer überzeugenden Plausibilität. Sich den seelischen Verletzungen
der heute etwa 60-jährigen zu nähern, bleibt also weiterhin eine
lohnenswerte Herausforderung.