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Radko Suban hat das Konzentratslager überlebt. Im Mai 1945 bringt
ihn der Zug von Bergen-Belsen nach Paris. Dort lernt er in einem Sanatorium
für Lungenkranke die Krankenschwester Arlette kennen. Die Liebe zu
Natur und Literatur schafft Verknüpfungspunkte, Radko und Arlette
verlieben sich ineinander. Aber nicht von ungefähr kommt es zwischen
beiden sehr bald und sehr leicht zu Mißverständnissen. Nur unwesentlich
älter zählt Ratko bereits zu den "einmal Gestorbenen",
während Arlette eine junge Frau personifiziert, deren Lebendigkeit
so anziehend wie irritierend ist. Radko leidet an Arlettes zuweilen unbedacht
provozierter Wirkung auf andere Männer. Arlette dagegen versteht nicht,
warum Ratko ihr nicht größeres Vertrauen schenkt.
Der KAMPF MIT DEM FRÜHLING wurde von Boris Pahor verfaßt.
Obwohl bereits 1958 zum erstenmal erschienen, wurde dieser Roman jedoch
im deutschen Sprachraum bisher nicht wahrgenommen. Das hat sicher zuerst
mit der Herkunft des Autors zu tun. Er wurde 1913 in Triest geboren, wo
er noch heute lebt. Die Stadt Triest selbst und ihr Hafen gehören
zwar zu Italien, ihr Hinterland aber zu Slowenien, in dessen Landessprache
Pahor seinen Roman einst niedergeschrieben hat. Damit steht er sprachlich
für jenen östlichen Sprachraum Europas, der erst nach dem Fall
des Eisernen Vorhangs auch bei uns wieder Beachtung findet. Und Boris Pahor
wird im Klappentext als der bedeutenste slowenische Gegenwartsautor ausgewiesen.
Bei aller Anerkennung dieses Sachverhalts bleibt dennoch die Frage,
inwieweit sich dieser Roman, der 1975 zum letzten Mal in der Originalsprache
aufgelegt wurde, noch heute selber "trägt".
So ist der Grundgedanke, den Verlust der Unschuld angesichts der Todeslager
eine personifizierte Unschuld wie Arlette gegenüberzustellen und aus
dieser Konstellation eine Synthese entwickeln zu wollen, nach wie vor bestechend.
Hinzu kommt, daß die Figur Ratkos dem Alter und dem Erleben nach
dem Autor gleichzusetzen ist - Boris Pahor wurde im Krieg verschleppt und
überlebte das KZ. Der Reiz der Authentizität wird noch dadurch
erhöht, als Ratko/Pahor kein Jude ist. Er kann und will sich von daher
nicht an den in so einem Zusammenhang bereits öfter erörterten
jüdischen Lebens- und Glaubenszusammenhängen ausrichten.
Pahor sucht mit seinem Werk, dem am Anfang ein Zitat aus 'Die Pest' von Albert
Camus als Motto voransteht, vielmehr Anschluß an den Existentialismus.
Leider liefen dem Autor oder dem Übersetzer die ersten Seiten jedoch
ein wenig aus dem Ruder. Da wirkt der einleitende Übergang vom Ort
des Schreckens zurück in die (wieder erwachende) Zivilisation teilweise
ein wenig mühsam und ermüdend, weil manch ergreifende Metapher
in zum Teil einfach schlecht formulierte Sätze gebettet sind. Aber
das sind nur kleine Hürden innerhalb der ersten 40, 50 Seiten. Spätestens
mit dem Zusammentreffen der zweiten Hauptfigur fängt uns die Geschichte
endgültig ein, schafft der Autor für seine Auseinandersetzung
ein spannungsvolles Gegenüber. Die Ernsthaftigkeit im Bemühen
um den anderen spiegeln sich in kunstvollen Dialogen. So druckreif tiefgründig
wird kaum jemals gesprochen worden sein, dennoch ist das von anrührender
Schönheit. Demgegenüber stehen die gedanklichen Ausdeutungen
Radkos, die sich einerseits durch seine erfahrenen Schrecken erklären
lassen zugleich aber auch ganz klassisch der Logik männlicher Eifersucht
und dementsprechendem Besitzdenken gehorchen.
Ein Vexierspiel das voll
und ganz aufgeht. Störend ist jedoch die der damaligen Zeit geschuldete
Sicht auf die Rolle der "kleinen" Frau - wiewohl sich Pahor da vermutlich
schon sehr aufgeschlossen wähnte. Hier gilt es, sich immer wieder
den historischen Subtext sowie die Eingangsthese vor Augen zu halten -
und notfalls darüber hinwegzulesen.
Das Ende ist hoffnungsvoll, der
Kampf mit dem Frühling ist ein Kampf gegen die Absurditäten des
Lebens - Ratko/Pahor scheinen ihn gewonnen zu haben.