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Wulff D. Rehfus

Bildungsnot

Hat die Pädagogik versagt?
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1995, 250 S., ISBN: 3-608-91728-4, >>> Amazon
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FEUERZANGENBOWLEN-GESCHWAFEL

"In Deutschland verfallen die vom pädagogischen Kahlschlag der Enttabuisierung enterbten Jugendlichen in der Öde der Kuschelprogramme des pädagogischen Biedermeier und der Gleichgültigkeit pädagogischer Scheinliberalität auch heute wieder in eine diffuse nationale Identität als Restorientierung, die inhaltlich nicht gefüllt ist, sondern sich nur negativ als Abgrenzung erhält."
Mit solch vieldeutigen Sentenzen meint Wulff D. Rehfus unsere "Bildungsnot" zu entlarven. Seine "Analysen" des Wie-es-war, Wie-es-ist und Wie-es-in-der-Welt-sein-wird verklittern zu einem einzigen Argumentationsmischmasch. Punktuell treffende Karikaturen institutioneller Fehlentwicklungen werden unterboten von schier endlosen, zudem auch noch in sich widersprüchlichen Behauptungsketten. In einer "gefährdeten Welt zu leben", meint bei Rehfus u.a. Diskriminierungen bzw. das Recht auf Ungleichheit hinnehmen zu müssen. Promovierter Philosoph der er ist, macht er es an einem Beispiel aus der griechischen Mythologie deutlich: Schon Achilles und Agamemnon hätten sich dereinst um eine Kriegsbeute gestritten, der eine als die Beute erobernder Kriegsheld, der andere als oberster Heerführer. Rehfus verschweigt allerdings, daß der Streit dieser beiden um die schöne Briseis bzw. um ihren "Rechtsanspruch auf Diskriminierung" in der Folge hunderten von Menschen das Leben kosten sollte. Diesen "Heldenkampf" anschließend auch noch mit der "Verunstaltung ihres Äußeren" heutiger Jugendliche ineinszusetzen, ist dann die Steigerung tolldreister Beweisführung - und die Schlußfolgerung daraus:
Rehfus glaubt an und hofft auf die "höhere Bildung", die aber halt nur einer Elite zugänglich sein kann. Das gipfelt dann in der Forderung: "Deutschland muß Humankapital bilden". Unbeleckt von jeder ernstzunehmenden Erwägung historischer, politischer geschweige denn psychosozialer Gegebenheiten sind ihm die "Leistungen" vormalig kleinerer Abiturjahrgänge wohl entfallen. Seine Pädagogik erschöpft sich denn auch in der Schwerpunktsetzung von Stundenplänen und dem Wunsch nach einem größeren Kontrollrecht des Schulleiters. Kein Wunder, wenn das zu bildende "Humankapital" künftig Sport und Religion in der Freizeit abhaken soll.
Überhaupt Religion: Das hat sich doch alles überlebt, statt dessen schlägt Rehfus vor, "zurückzugreifen auf die europäische Tradition als Ersatz des Unbedingten: auf die kulturelle Substanz der Vergangenheit; die Geschichte also verstanden als der säkularisierte Gott. Der Gott, das ist dann die res gestae, und die Auslegung der Heiligen Schrift ist dann die historia rerum gestarum." Der einst real existierende Sozialismus läßt grüßen. Daß Rehfus im Klappentext als Lehrer und Leiter eines Gymnasiums und gar als Mitersteller von Lehrplänen für die gymnasiale Oberstufe und für Fachseminare ausgewiesen wird, führt am Ende der Lektüre zur Gedankenverbindung eines scheinbar unsterblichen Feuerzangenbowlen-Kollegiums, von dem sich zu diskriminieren allerdings nicht nur ein Recht, sondern geradezu eine Pflicht ist.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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