buechernachlese.de
|
FEUERZANGENBOWLEN-GESCHWAFEL
"In Deutschland verfallen die vom pädagogischen Kahlschlag der
Enttabuisierung enterbten Jugendlichen in der Öde der Kuschelprogramme
des pädagogischen Biedermeier und der Gleichgültigkeit pädagogischer
Scheinliberalität auch heute wieder in eine diffuse nationale Identität
als Restorientierung, die inhaltlich nicht gefüllt ist, sondern sich
nur negativ als Abgrenzung erhält."
Mit solch vieldeutigen Sentenzen meint Wulff D. Rehfus unsere "Bildungsnot"
zu entlarven. Seine "Analysen" des Wie-es-war, Wie-es-ist und Wie-es-in-der-Welt-sein-wird
verklittern zu einem einzigen Argumentationsmischmasch. Punktuell treffende
Karikaturen institutioneller Fehlentwicklungen werden unterboten von schier
endlosen, zudem auch noch in sich widersprüchlichen Behauptungsketten.
In einer "gefährdeten Welt zu leben", meint bei Rehfus u.a.
Diskriminierungen bzw. das Recht auf Ungleichheit hinnehmen zu müssen.
Promovierter Philosoph der er ist, macht er es an einem Beispiel aus der
griechischen Mythologie deutlich: Schon Achilles und Agamemnon hätten
sich dereinst um eine Kriegsbeute gestritten, der eine als die Beute erobernder
Kriegsheld, der andere als oberster Heerführer. Rehfus verschweigt
allerdings, daß der Streit dieser beiden um die schöne Briseis
bzw. um ihren "Rechtsanspruch auf Diskriminierung" in der Folge
hunderten von Menschen das Leben kosten sollte. Diesen "Heldenkampf"
anschließend auch noch mit der "Verunstaltung ihres Äußeren"
heutiger Jugendliche ineinszusetzen, ist dann die Steigerung tolldreister
Beweisführung - und die Schlußfolgerung daraus:
Rehfus glaubt
an und hofft auf die "höhere Bildung", die aber halt nur einer
Elite zugänglich sein kann. Das gipfelt dann in der Forderung: "Deutschland
muß Humankapital bilden". Unbeleckt von jeder ernstzunehmenden
Erwägung historischer, politischer geschweige denn psychosozialer
Gegebenheiten sind ihm die "Leistungen" vormalig kleinerer Abiturjahrgänge
wohl entfallen. Seine Pädagogik erschöpft sich denn auch in der
Schwerpunktsetzung von Stundenplänen und dem Wunsch nach einem größeren
Kontrollrecht des Schulleiters. Kein Wunder, wenn das zu bildende "Humankapital"
künftig Sport und Religion in der Freizeit abhaken soll.
Überhaupt
Religion: Das hat sich doch alles überlebt, statt dessen schlägt
Rehfus vor, "zurückzugreifen auf die europäische Tradition
als Ersatz des Unbedingten: auf die kulturelle Substanz der Vergangenheit;
die Geschichte also verstanden als der säkularisierte Gott. Der Gott,
das ist dann die res gestae, und die Auslegung der Heiligen Schrift ist
dann die historia rerum gestarum." Der einst real existierende Sozialismus
läßt grüßen. Daß Rehfus im Klappentext als
Lehrer und Leiter eines Gymnasiums und gar als Mitersteller von Lehrplänen
für die gymnasiale Oberstufe und für Fachseminare ausgewiesen
wird, führt am Ende der Lektüre zur Gedankenverbindung eines
scheinbar unsterblichen Feuerzangenbowlen-Kollegiums, von dem sich zu diskriminieren
allerdings nicht nur ein Recht, sondern geradezu eine Pflicht ist.