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Was lange währt ... Nach weit mehr als 40 Jahren legt der emeritierte
Professor für evangelische Theologe Paul Schwarzenau seine Studie
zur Geschichte des Judentums vor. Überschrieben mit DAS MESSIASPROBLEM
BEI MARTIN BUBER errang sie überdies den Franz-Delitzsch-Preis. Warum
die Studie seinerzeit dennoch nicht veröffentlicht wurde, schildert
Schwarzenau in seinem Nachwort als sehr diskret formulierte Posse. Nun
ist sie im Frieling-Verlag erschienen - wie glaubhaft versichert immerhin
ohne eigene Beteiligung an den Druckkosten!
Wer sich mit dem Judentum und insbesondere mit Martin Buber auseinanderzusetzen
beginnt, dürfte diesen Band als ein Kleinod schätzen lernen.
Bei allem spürbaren Enthusiasmus achtete der damals 28-jährige
Schwarzenau auf saubere Quellenscheidung und stellt seinem "Protagonisten"
auch die Positionen u.a. von Rosenzweig, Landauer, Nietzsche und sogar
Kafka gegenüber. Er wollte sich ihm wenigstens annähern, denn
"jede feste Grundlegung ist ja bei Buber problematisch, da sich ihm
keine feste Lehre abgewinnen läßt." Dabei gelingt ihm zugleich
ein Abbild der Positionen innerhalb des modernen Judentums, das geistesgeschichtlich
auf die jüdische Aufklärung der Haskala sowie den Chassidismus
zurückgeführt wird. Nach dem Vorstellen der messianischen Bewegungen
(Galuth, Chassidismus) sowie der "außerjüdisch jüdischen"
Impulse referiert er Bubers "Ich der Welt" und sein "Ich und
Du", um beides jeweils anschließend wiederum gesondert zu besprechen
bzw. zu interpretieren. Bestechend dann auch die Erläuterungen zum
Terminus des "auserwählten Volkes Israel", die einem immer
wieder unterstellten Chauvinismus entgegentreten. So wird Buber u.a. zitiert
mit: "Nicht daß die Erfahrung und Erfassung der dialogischen Situation
eine Besonderheit des Judentums sei, ... aber keine andere Menschenschar
hat an diese Erfahrung solche Kraft und Innigkeit hingegeben wie die Juden."
Gerade für heutige Zeiten bemerkenswert dürften auch die
Erläuterungen zu der mit "Demut" nur unzulänglich übersetzten
Forderung nach "Schiflut" sein: "In der Schiflut erfaßt
der Mensch seine wahre Bestimmung, in eben seiner Einzigkeit dienendes
Glied der Schöpfung zu sein."
Das Kernstück, die Aussagen zum "Messiasproblem" lassen
sich nicht in wenigen Sätzen skizzieren, da es Schwarzenau ja gerade
hierbei um Differenzierung ging. Nur soviel: Es gilt ein Paradoxon auszuhalten,
das in Schwarzenaus Ausführungen jedoch eine akzeptable Grundlage
und ein erstaunliches Maß an Plausibilität erfährt. Er
tritt hierin insbesondere der "Verkennung" entgegen, wonach für
Buber jeder Einzelne sein eigener Messias sein müsse. Wegen ihrer
gelungenen Verdichtung und Beschränkung auf das Wesentliche ist diese
Studie allemal heute noch lesenwert und diskussionswürdig. Zudem billanziert
sie zwischen den Zeilen auch eine wichtige Etappe dieses ausgehenden Jahrhunderts
- die 50-er Jahre sollten ja auch für einen Neubeginn stehen.