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Im von innen verschlossenen Badezimmer liegt ein neugeborenes Kind - doch die Mutter des Kindes ist verschwunden. Als Galina, die Tante des Babys, die Tür aufbricht, sieht sie statt ihrer Schwester lediglich einen Vogel auf dem Fensterbrett sitzen und das Kind betrachten. Der Polizist Jakov wird Zeuge, wie sich ein Moskowiter in einen davonfliegenden Raben verwandelt, und vor den Augen des Straßenmalers Fjodor steigen gleich ganze Schwärme von Vögeln aus einer Regenpfütze auf. Das mit den Vögeln scheint in Moskau aber sonst keinem aufzufallen, und erst als Galina, Jakov und Fjodor sich treffen und austauschen, findet sich auch ein Weg, diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen ...
In dem Grau in Grau der russischen Metropole sind nur wenige für Zwischentöne empfänglich und haben darunter auch noch zu leiden. Oft verspottet und als verrückt an den Rand gedrängt, müssen sie stets die Augen offen halten für das Wenige an farbigen Momenten, die sie am Leben erhalten.
Die in Moskau aufgewachsene, seit Längerem in den USA lebende Autorin Ekaterina Sedia hat mit "Die geheime Geschichte Moskaus" einen Roman vorgelegt, der weit eher dem Genre der Phantastik als dem Mainstream üblicher Bestseller-Fantasy zuneigt. Das zeigt sich schon in der Sprachführung, die dank einer offenbar kongenialen Übersetzung von rau-herber Poesie ist. Sie hilft die Grenzen zwischen den heutigen Moskowiter Alltäglichkeiten und den mit alten, fast schon vergessenen Sagengestalten bevölkerten Untergrund glaubhaft zu verwischen. In diesem Untergrund finden sich auch jene geheimnisvoll, irgendwann einmal aus Moskau entschwundenen Menschen wieder und sogar verbrannte Gebäudeteile des Kremls. Sie bilden das Erinnerungsreservoir, aus dem das gegenwärtige Russland schöpfen könnte, um wieder über den nackten Sozialdarwinismus hinauszugelangen.
Manche Anspielungen sind von deutschen Lesern insbesondere westlicher Herkunft zwar nur zu erahnen, aber das hindert nicht daran, dem Wesentlichen dieses mitreißenden Romans zu folgen und dem von den drei Helden gesuchten Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels mit Vergnügen nachzuspüren